Neue EKG-Parameter zur Risikostratifizierung bei Patienten mit Long-QT-Syndrom
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Dr. Alexander Samol, et al., Münster
Hintergrund:
Neben der namensgebenden QT-Zeit Verlängerung weisen Patienten mit Long-QT-Syndrom mehr oder weniger spezifische elektrokardiographische Variationen im Bereich der T-Welle auf. Als Risikofaktoren für das Auftreten kardialer Ereignisse wurden unter anderem das Patientenalter in Abhängigkeit vom Geschlecht, die Länge der QTc-Zeit und die Symptomlast der Patienten identifiziert. Wir untersuchten die Einsatzmöglichkeiten von alternativen EKG-Parametern des Standard-EKGs und des Multikanal-EKGs zur Risikostratifizierung bei Patienten mit Long-QT-Syndrom unter empfohlener medikamentöser Therapie.
Methoden:
Bei 35 ambulant an unser Klinikum angebundenen Patienten mit genetisch gesichertem Long-QT-Syndrom (12 männlich, 9 LQT 1, 16 LQT 2, 3 LQT 3; Alter 31±13 Jahre, QTc-Zeit 476±52ms) erfolgte eine 12-Kanal-Standard-EKG-Registrierung und ein 120-Kanal Body Surface Potential Mapping (BSPM) mit unipolaren Ableitungspositionen auf dem gesamten Torso. Das Auftreten klinischer Ereignisse (Synkopen unter Medikation (ß-Blocker), dokumentierte Torsaden, kardiopulmonale Reanimationsereignisse) während eines mittleren Beobachtungszeitraumes von 1718 Monaten wurde mit unterschiedlichsten Standard- und alternativen EKG-Parametern in Beziehung gesetzt und die Ergebnisse ebenfalls mit einem Kontrollkollektiv von 13 herzgesunden Probanden verglichen.
Ergebnisse:
21/35 gaben anamnestisch Synkopen an, die u. a. für die initiale kardiologische Vorstellung der Patienten verantwortlich waren. Bei 7/35 kam es zum Auftreten von EKG-dokumentierten Torsaden, bei 4/35 Patienten zum Auftreten von kardiopulmonalen Reanimationsereignissen und bei 11/35
Patienten zum Auftreten von Synkopen unter medikamentöser Therapie (11/35 mind. 1 klinisches Ereignis). Patienten mit jeglicher Form eines aufgeführten klinischen Ereignisses wiesen eine signifikant längere QTc-Zeit im Standard-EKG auf (518±45ms vs. 458±44ms, p=0.001). Das Auftreten klinischer Ereignisse war mit einem signifikant niedrigeren T-Wellen-Integral (-2.6±77.9mV*ms vs. 60.0±30.4mV*ms; p=0.002) in einer alternativen Ableitungsposition 5cm oberhalb von V4 (Channel 60, Abb. 1), einer signifikant niedrigeren Streuweite der T-Wellen-Auslenkung (Betrag der Summe aus maximaler und minimaler T-Wellenamplitude, (0.11±0.08mV vs. 0.19±0.1mV; p=0.02) in einer alternativen Ableitungsposition im Bereich V8 (Channel 90, Abb. 1) und mit einer signifikant längeren T-peak-T-end-Zeit in Standardableitung V1 (130±100ms vs. 78±26ms; p=0.02) assoziiert. Bei einem cut-off Wert von 26.75mV*ms erreichte die Receiver operated curve (ROC)-Analyse zur Vorhersage der klinischen Ereignisses mittels T-Wellen-Integral eine Sensitivität von 92% und eine Spezifität von 73% (area under curve (AUC) 0.86±0.07, p=0.001). Die ROC-Analyse zur Vorhersage der klinischen Ereignisse mittels T-Wellen-Streuung erreichte bei einem cut-off Wert von 0.11mV eine Sensitivität von 83% und eine Spezifität von 82% (AUC 0.8±0.09, p=0.006). Die ROC-Analyse zur Vorhersage der klinischen Ereignisse mittels T-peak-T-end-Zeit erreichte bei einem cut-off Wert von 89ms eine Sensitivität von 82% und eine Spezifität von 80% (AUC 0.84±0.04, p=0.001). Alle drei Parameter waren der QTc-Zeit (Sensitivität von 80% und Spezifität von 67% bei cut-off von 488ms) zur Risikostratifizierung überlegen (Abb 2). Die Subgruppenanalyse der größten Untergruppe (LQT2, n=19, klinische Ereignisse n=5) lieferte ebenfalls signifikante Unterschiede der beiden BSPM-Parameter zwischen Patienten mit klinischen Ereignissen und asymptomatischen Patienten unter Therapie und zeigte eine Überlegenheit der alternativen Parameter gegenüber der QTc-Zeit, die T-peak-T-end-Zeit in Ableitung V1 unterschied sich in dieser Subgruppe nicht signifikant.
Da für diese alternativen EKG-Parameter keine Normwerte existieren erfolgte der Vergleich mit einem Kontrollkollektiv von herzgesunden Probanden. Die Streuweite der T-Wellen-Auslenkung in Channel 90 betrug im Kontrollkollektiv 0.14 +/- 0.06mV, das T-Wellen-Integral in Channel 60 40.6 +/- 51.5mV*ms im Kontrollkollektiv und die T-peak-T-Zeit in Ableitung V1 90 +/- 20ms, somit ist keiner der alternativen Parameter zur Diskriminierung zwischen gesunden Probanden und Long-QT-Patienten geeignet.
Schlussfolgerung:
Das Auftreten von klinischen Ereignissen bei Patienten mit Long-QT-Syndrom scheint mit einer niedrig-amplitudigen, verlängerten T-Welle assoziiert zu sein. Der Einsatz alternativer EKG-Parameter könnte zur Risikostratifizierung geeignet sein, dies bedarf weiterer Untersuchungen in großen prospektiven klinischen Studien.
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