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Einfluss einer Niereninsuffizienz auf die Korrelation von NTproBNP mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz

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Dr. Andreas Rieth, et al, Bad Nauheim

Hintergrund:

Der Biomarker NTproBNP ist für die Diagnostik und Verlaufsbeurteilung bei akuter und chronischer Herzinsuffizienz gut validiert. So zeigt beispielsweise ein rascher Rückgang des Markers unter Therapie einer akuten kardialen Dekompensation eine relativ gute Prognose an, während ein mangelnder Rückgang für einen ungünstigen Verlauf spricht und weitere therapeutische Bemühungen notwendig macht. Bei chronischer Herzinsuffizienz spricht ein anhaltend hoher NTproBNP-Wert für eine Intensivierung der Therapie z.B. mit Diuretika oder ß-Blocker. Allerdings führen diverse Begleiterkrankungen bzw. Patientencharakteristika (u.a. Niereninsuffizienz, Vorhofflimmern, zunehmendes Lebensalter, Geschlecht, Übergewicht) wegen abweichender Normbereiche häufig zu Unsicherheiten bei der Interpretation. Die meisten der o.g. Faktoren erfordern eine Anpassung nach oben; je nach assay wird die obere Normgrenze standardmäßig mit 300 pg/ml angegeben, beispielsweise bei Vorhofflimmern gelten jedoch NTproBNP-Werte bis ca. 1000 pg/ml nicht als eindeutig pathologisch. Bei ausgeprägter Adipositas dagegen sollte eher eine Korrektur in die andere Richtung erfolgen: bei einem BMI > 35 kg/m2 führt eine Verdoppelung bis Verdreifachung des jeweiligen NTproBNP-Spiegels zu einer adäquateren Einschätzung. Besondere Probleme bereitet aber eine Niereninsuffizienz, da u.a. die renale Ausscheidung des Biomarkers hierbei in unterschiedlichem Ausmaß eingeschränkt ist; auch im Rahmen von Verlaufskontrollen wird der Markerverlauf durch Schwankungen der Nierenfunktion verzerrt.

Eine im klinischen Alltag praktisch anwendbare Korrekturformel bei verschiedenen Schweregraden der Niereninsuffizienz existiert bislang nicht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, durch Korrelation von NTproBNP mit verschiedenen Schweregraden der Herzinsuffizienz (HI) unter Adjustierung auf die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) als Maß der Nierenfunktion eine praktikable Interpretationshilfe zu gewinnen.
Belastungstests – allen voran die Spiroergometrie – stellen ein wesentliches Standbein für die Einschätzung des klinischen Verlaufs und für wichtige therapeutische Entscheidungen bei Herzinsuffizienz dar. Besonders herz- und niereninsuffiziente Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Belastungstest absolvieren können, würden also von einer durch NTproBNP-Adaptierung ermöglichten Verlaufsbeurteilung profitieren.

Methoden:

572 Visiten von insgesamt 519 Patienten eines ambulanten Herzinsuffizienz-Registers lagen vor, davon wurden 329 Visiten mit durchgeführter Spiroergometrie näher analysiert. Eine aussagekräftige Spiroergometrie liegt vor, wenn ein Patient unter Ausbelastung Normalwerte erreicht oder aber die Belastung aus kardiopulmonaler Ursache abrechen muss. Für die vorliegende Analyse wurden neben Normalbefunden folgende Abbruchkriterien als kardial bedingt definiert: erreichte Ventilatorische Anaerobe Schwelle, pathologische Totraumventilation (VÉ/V´CO2-slope), pathologischer Sauerstoffpuls, fehlende Steigerung der Sauerstoffaufnahme VÓ2 am Belastungsende. Nur Visiten mit diesen Kriterien genügenden Spiroergometrien wurden in die Analyse miteinbezogen, dies waren 153 Visiten von 131 Patienten. Diese gehörten einer durchschnittlichen Herzinsuffizienzpopulation an, es waren 99 Männer und 32 Frauen (Altersmedian 59 Jahre). Folgende funktionellen Einschränkungen lagen vor: NYHA-Stadium I 23 x , NYHA II 44 x, NYHA III 78 x und NYHA IV 6 x. Bei 108 Visiten bestand Sinusrhythmus. Eine GFR > 79 ml/Min/1,73 m2 fand sich bei 64 Visiten ( 41,8 %), bei den übrigen (58,2 %) war die Nierenfunktion in unterschiedlichem Ausmaß eingeschränkt.

Die Ergebnisse der maximal erreichten Sauerstoffaufnahme (VÓ2 peak) führten zur Kategorisierung der Pat. nach Kroidl: > 84% des Sollwerts = keine Herzinsuffizienz (HI), 70 – 84% = leichte HI, 50 – 69 % = mittelschwere HI und < 50% = schwere HI. Weiterhin erfolgte innerhalb der jeweiligen Gruppen eine Unterteilung nach Nierenfunktion (KDOQI-Klassifikation nach GFR in ml/Min/1,73 m2): GFR > 79 = normal, 60 – 79 leichte Niereninsuffizienz (NI), 30 – 59 mittelschwere NI, 15 – 29 schwere NI und < 15 sehr schwere NI. Ergebnisse:

Die folgenden funktionellen Einschränkungen lagen vor: NYHA-Stadium I 23 x , NYHA II 44 x, NYHA III 78 x und NYHA IV 6 x. Bei 108 Visiten bestand Sinusrhythmus (70,6 %). Eine GFR > 79 ml/Min/1,73 m2 (= normale Nierenfunktion) fand sich bei 64 Visiten ( 41,8 %), bei den übrigen (58,2 %) war die Nierenfunktion in unterschiedlichem Ausmaß eingeschränkt. Die GFR lag im Mittel bei 77,5 (11 – 196) ml/Min/1,73 m2, Median 73,5.

Die Spiroergometrie war nach der o.g. Klassifizierung bei 14,4% der Visiten normal, bei 7,8 % leicht, bei 37,3 % mittelschwer und 40,5 % schwer pathologisch. Das NTproBNP lag im Mittel bei 3039 (37 -21.291) pg/ml, Median 1899; es zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Kroidl-Klassen (KK). Der NTproBNP- Wert steigt mit zunehmender Schwere nach KK an. Werden die GFR-Gruppen in die Analyse mit einbezogen, ist hier ebenfalls ein steigender NTproBNP Wert mit zunehmender Schwere festzustellen. Es gibt keine Interaktionen zwischen den beiden Faktoren KK und GFR-Gruppe. Die NTproBNP-Werte trennen jeweils nur nicht benachbarte KK gut voneinander, eine schwere HI lässt sich aber gegen alle anderen Schweregrade signifikant abgrenzen. Die Adjustierung auf GFR-Gruppen bessert dieses nicht weiter. Im Vergleich der GFR-Gruppen lässt sich eine schwere HI bei GFR > 59 durch NTproBNP-Werte > 3630 pg/ml und bei GFR 15 – 59 > 6120 pg/ml relativ zuverlässig erkennen. Eine weitere Aufteilung des Bereichs schwere bis mittelschwere Niereninsuffizienz (GFR 15 – 59) bringt keine klaren Vorteile. Im GFR-Bereich > 59 kann ein spiroergometrischer Normalbefund auch bei NTproBNP bis zu 1500 pg/ml vorliegen, vorausgesetzt das Alter liegt unter 74 Jahren.

Schlussfolgerung:

Auch bei Niereninsuffizienz kann der Biomarker NTproBNP Hinweise auf den Schweregrad einer Herzinsuffizienz geben, er wird also nicht unbrauchbar. Die Höhe der NTproBNP-Werte korreliert linear mit der Abnahme der Nierenfunktion. Zur Abgrenzung einer schweren von einer nichtschweren Herzinsuffizienz könnten angepasste Normalbereiche hilfreich sein. Die Interpretation zur Unterscheidung leichterer Schweregrade scheint dagegen schwierig zu sein. Die intraindividuelle Verlaufsbeobachtung sollte hier unter Berücksichtigung des GFR-Verlaufs zur Beurteilung herangezogen werden. In weiteren Studien sollte eine prospektive Evaluierung angepasster Normbereiche für NTproBNP bei Niereninsuffizienz erfolgen.

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