Psychosoziale Faktoren bei Patienten mit Vorhofflimmern vor und nach einer Pulmonalvenenisolation
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Dr. Valérie Pavlicek und Prof. Dr. Christian Ukena, Homburg/Saar
Hintergrund
Vorhofflimmern ist die weltweit häufigste Arrhythmie, von der mehr als 33 Millionen Menschen betroffen sind, wobei jedes Jahr bei etwa 5 Millionen Patient*innen Vorhofflimmern neu diagnostiziert wird [1]. Es gibt immer mehr Hinweise auf eine Interaktion zwischen psychologischen Faktoren und Vorhofflimmern. In einigen Übersichtsarbeiten wurde der Zusammenhang zwischen Angst und Depression analysiert, was auf eine Komorbidität hindeutet [2]-[4]. Wenige Studien konnten zeigen, dass eine Pulmonalvenenisolation (PVI) zu einer nachhaltigen Verringerung der psychischen Belastung und einer Verbesserung der Lebensqualität führt [5],[6]. Zur herzbezogenen Angst bei Patient*innen mit Vorhofflimmern gibt es bisher keine Daten. Wir untersuchten daher in Rahmen unserer Studie die Effekte einer PVI auf psychosoziale Faktoren wie herzbezogene Angst, allgemeine Angst und Depression sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Methoden
Im Rahmen dieser prospektiven, monozentrischen Studie wurden bei Vorhofflimmer-Patient*innen klinische, demografische sowie psychologische Faktoren vor und 6 Monate nach PVI erfasst. Die psychologische Beurteilung erfolgte mit standardisierten und validierten Fragebögen: Herzbezogene Angst mit dem Cardiac Anxiety Questionnaire (CAQ), allgemeine Angst und Depression mit der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität mit der Short Form Health Survey (SF-12) [Details siehe Abbildung 1].
Ergebnisse
Symptomlast vor und nach Pulmonalvenenisolation
Die Pulmonalvenenisolation führte, trotz Patient*innen mit dokumentierten Vorhofflimmer-Rezidiven, in allen Patient*innen zu einer signifikanten Reduktion der Symptomlast (u.a. Palpitationen, Kurzatmigkeit, Schwindel, Schläfrigkeit und Brustschmerz).
Herzbezogene Angst und zugehörige Subskalen
Vor einer Pulmonalvenenisolation hatten 45 % der Teilnehmer*innen eine klinisch relevante herzbezogene Angst (Gesamtscore). Die Werte auf den Subskalen Aufmerksamkeit, Angst und Vermeidung waren bei 40 %, 40 % und 22 % der Patient*innen erhöht. Nach der Pulmonalvenenisolation wurden signifikante Verbesserungen des mittleren Gesamtscores [1,71 ± 0,61 vor PVI vs. 1,33 ± 0,63 bei der Nachuntersuchung nach 6 Monaten; p <0,01] sowie der Werte auf allen Subskalen beobachtet: Aufmerksamkeit [1,92 ± 0,71 vor PVI vs. 1,48 ± 0,64 bei der 6-monatigen Nachuntersuchung; p <0,01], Angst [1,78 ± 0,70 vor PVI vs. 1,42 ± 0,77 bei der 6-monatigen Nachuntersuchung; p <0,01] und Vermeidung [1,34 ± 1,04 vor PVI vs. 0,95 ± 0,94 bei der 6-monatigen Nachuntersuchung; p <0,01]. Sechs Monate nach der Ablation berichteten 25 % der Patient*innen weiterhin über eine klinisch relevante herzbezogene Angst (Gesamtscore). Die Werte auf den Subskalen Aufmerksamkeit, Angst und Vermeidung waren bei 18 %, 22 % und 9 % der Teilnehmer*innen erhöht. Nach PVI verbesserte sich der Gesamtscore und die Werte aller Subskalen außer bei Patient*innen mit einem dokumentierten Vorhofflimmer-Rezidiv [Abbildung 2].
Allgemeine Angst, Depression und gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL)
Zu Beginn der Studie berichteten 63 % der Patienten über ein erhöhtes Maß an allgemeinen Ängsten. Außerdem litten 23 % der Teilnehmer an klinisch relevanten Angstsymptomen. Depressive Symptomatik bestand bei 52 % und bei 24 % der Patienten bestand eine klinisch relevante depressive Störung. Die mittleren Werte für allgemeine Angst und Depression gingen nach der PVI signifikant zurück [8,76 ± 3,45 vor PVI vs. 7,08 ± 3,06 bei der 6-monatigen Nachuntersuchung; p < 0,01 und 7,95 ± 3,49 vor PVI vs. 6,75 ± 3,90 bei der 6-monatigen Nachuntersuchung; p < 0,01]. Von der Indexablation bis zur 6-monatigen Nachuntersuchung stiegen der zusammengesetzte körperliche Gesundheitscore signifikant um 4 Punkte [40 auf 44; p<0,01] und psychische Gesundheitsscore um 3 Punkte [46 auf 49; p = 0,03]. Die mittleren Werte für allgemeine Ängste und Depressionen verbesserten sich in allen Untergruppen außer bei jungen Patienten (<64 Jahre). Des Weiteren zeigten junge Patienten (<64 Jahre) und Patienten ohne dokumentiertes Vorhofflimmern-Rezidiv eine deutliche Verbesserung des körperlichen Gesundheitscores [44 auf 49 (p<0,01), 40 auf 44 (p<0,01)]. Die Subgruppenanalysen zeigten jedoch keine signifikante Verbesserung des psychischen Gesundheitscores
Zusammenfassung
Pulmonalvenenisolation eines symptomatischen Vorhofflimmerns führt zu einer signifikanten Verringerung herzbezogener Ängste, allgemeiner Ängste und depressiver Symptome sowie einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Verbesserung kann durch eine Verringerung der Symptom- und Vorhofflimmerlast vermittelt sein. Die Bewertung herzbezogener Angst durch den Cardiac Anxiety Questionnaire könnte ein spezifischeres Bewertungsinstrument psychosozialer Faktoren als die Hospital Anxiety and Depression Scale bei Patient*innen, die an Vorhofflimmern leiden, darstellen. In Zukunft sind weitere Studien zur Bewertung, Vorhersage und Behandlung depressiver Symptome sowie Angststörungen notwendig, um eine optimale Versorgung an Vorhofflimmern erkrankter Patient*innen zu gewährleisten.
Literatur
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[6] Jain S.K., Novak P.G., Sangrigoli R., Champagne J., Dubuc M., Adler S.W., Svinarich J.T., Essebag V., Martien M., Anderson C., John R.M., Mansour M., Knight B.P. Sustained quality-of-life improvement post-cryoballoon ablation in patients with paroxysmal atrial fibrillation: Results from the STOP-AF Post-Approval Study. Heart Rhythm. 2020; 17 (3): 485-491. doi: 10.1016/j.hrthm.2019.10.014.
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