Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Sarkopenie bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Tarek Bekfani, Berlin, PD Dr. Dr. med. Stephan von Haehling, Göttingen

Sarkopenie, übersetzt am ehesten als Muskelschwund, ist die mit zunehmendem Alter häufig anzutreffende Verringerung der Skelettmuskelmasse und der Muskelkraft. Es ist in der Geriatrie gut bekannt, dass der Mensch ab dem fünfzigsten Lebensjahr jedes Jahr durchschnittlich 1 bis 2% seiner Muskelmasse und etwa 1,5% seiner Muskelkraft verliert. Altersabhängig sind 5 bis 13% aller „gesunden“ Menschen zwischen 60-70 Jahren von Sarkopenie betroffen, die gemäß einer Konsensusdefinition aus dem Jahr 1998 diagnostiziert werden kann, wenn die Skelettmuskelmasse der Arme und Beine kombiniert („appendikuläre Skelettmuskelmasse“) unterhalb von 2 Standardabweichungen des Mittelwertes eines jungen, gesunden Kontrollkollektivs liegt. Diese Skelettmuskelmasse wird üblicherweise in Kilogramm angegeben. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz weiter an, sodass jenseits des 80. Lebensjahres bereits über 50% betroffen sind.

Die Arbeitsgruppe um PD Dr. Dr. med. Stephan von Haehling (vormals Charité – Universitätsmedizin Berlin, jetzt Universitätsmedizin Göttingen) hat bereits im Jahr 2013 an einem gemischten Kollektiv von Patienten mit chronischer, ambulant geführter Herzinsuffizienz zeigen können, dass 19,5% der Patienten die diagnostischen Kriterien der Sarkopenie erfüllten (Fülster et al., Eur Heart J 2013). Die Prävalenz war angesichts des mittleren Alters der Patienten fast doppelt so hoch wie erwartet, und das Vorhandensein der Sarkopenie war mit erheblichen Einschränkungen in der körperlichen Belastbarkeit, gemessen als maximale Sauerstoffaufnahme oder im 6-Minuten Gehtest, assoziiert. Auch die unmittelbare Messung der Hand- und Quadrizepskraft war deutlich vermindert. Derartige Effekte können unmittelbaren Einfluss auf die Aktivitäten des täglichen Lebens haben, wenn die Patienten nicht mehr in der Lage sind, Einkäufe nach Hause zu tragen oder sich aus dem Sessel ohne Abstützen zu erheben. Die Herzinsuffizienz allein führt zu Einschränkungen – die Anwesenheit von Sarkopenie macht es schlimmer.

Herzinsuffizienz stellt bereits für sich genommen ein großes Gesundheitsproblem dar. Allerdings haben etwa 50% aller Patienten eine erhaltene Ejektionsfraktion (HFpEF), die bisher nur in Teilen verstanden wird. Das Hauptsymptom bei diesen Patienten ist eine eingeschränkte Belastbarkeit. Unterschiedliche Mechanismen, wie z.B. der erhöhte Füllungsdruck des linken Ventrikels, könnten eine wichtige Rolle in der Erklärung der Pathophysiologie spielen. Die Studie SICA-HF war eine Beobachtungsstudie, die im Rahmen des 7. Förder-Rahmenprogrammes der EU-Kommission multi-zentrisch durchgeführt wurde, um die Komorbiditäten der Herzinsuffizienz zu untersuchen (von Haehling et al., J Cachexia Sarcopenia Muscle 2010).

Tarek Bekfani, aus der Arbeitsgruppe an der Berliner Charité, dehnte im Rahmen der nun bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie durchgeführten Arbeit zur Sarkopenie die Vorstudien aus und fokussierte ganz auf Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion. Ziel war es, die Prävalenz der Sarkopenie zu beschreiben und ihre Auswirkungen auf körperliche Belastbarkeit, Muskelkraft und Lebensqualität (QoL) darzustellen. Dazu wurden zwischen März 2010 und September 2013 insgesamt 117 symptomatische Patienten mit Herzinsuffizienz eingeschlossen, die eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≥50% und einen dilatierten linken Vorhof und/oder einen echokardiographischen Hinweis auf diastolische Dysfunktion hatten.

Die appendikuläre Muskelmasse wurde mittels DEXA-Scan (dual energy X-ray absorptiometry) evaluiert. Das Kriterium der Sarkopenie war bei 19,7% der Patienten erfüllt. Diese zeigten schlechtere Werte sowohl in der 6-Minuten Gehstrecke als auch hinsichtlich ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme gemessen in der Spiroergometrie. Patienten mit höherem Schweregrad der diastolischen Dysfunktion, gemessen als höherer E/e‘-Wert, hatten eine geringere appendikuläre Skelettmuskelmasse und zeigten schlechtere Werte bezüglich der Muskelkraft und der Lebensqualität.

Insgesamt zeigte sich also, dass die Prävalenz der Sarkopenie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion ähnlich wie die von Patienten mit reduzierter Ejektionfraktion ist. In beiden Gruppen finden sich relevante Veränderungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, wenn Sarkopenie vorliegt, sodass Sarkopenie als Ansatzpunkt für Therapien dienen kann, die die Leistungsfähigkeit steigern. Dazu gehört nach derzeitigem Kenntnisstand vor allem körperliches Training (z.B. auf dem Ergometer). Weitere Therapien, insbesondere Pharmatherapien, befinden sich in Entwicklung.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org