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Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern – erkannt aber nicht behandelt?

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Marc-André Körten, Berlin

Einleitung:
Angeborene Herzfehler (AHF) führen aufgrund der verfügbaren diagnostischen und operativen Verfahren nur noch selten zum Tod im Kindesalter. Damit sind Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) eine stetig wachsende und zunehmend alternde Patientengruppe. Mit steigender Lebenserwartung spielen erworbene kardiovaskuläre Erkrankungen eine immer größere Rolle für die Morbidität und Mortalität. Das Nationale Register für angeborenen Herzfehler (NRAHF) führt derzeit 16.586 Patienten im Alter ≥18 Jahre. In dieser Studie wird untersucht, inwieweit kardiovaskulären Risikofaktoren vorhanden sind und die Möglichkeiten einer leitliniengerechten Primär- bzw. Sekundärprävention ausgeschöpft werden.

Methoden:
Anhand von aktuellen Arztbriefen aus Herzzentren, Universitätskliniken und Kliniken mit EMAH-Sprechstunde sowie von niedergelassenen Kinderkardiologen und (EMAH-) Kardiologen werden im NRAHF der AHF mit den begleitenden kardialen und nicht kardialen Anomalien, den erfolgten Operationen/Interventionen und erworbenen Erkrankungen erfasst. Das Register wurde systematisch nach allen Patienten ≥18 Jahre (derzeitiges Alter oder Alter zum Zeitpunkt des Todes) durchsucht, bei denen nach ICD-10 kardiovaskuläre Risikofaktoren (Adipositas, arterieller Hypertonus [art. HTN], Diabetes mellitus, Hyperlipidämie/Lipid-stoffwechselstörungen) bzw. bereits manifeste atherosklerotische Erkrankungen wie eine koronare Herzerkrankung, eine transitorische ischämische Attacke (TIA)/ein Apoplex oder andere atherosklerotische Erkrankungen kodiert waren. Zusätzlich wurde die aktuelle Medikation erhoben.

Patienten:
Es konnten 540 Patienten eingeschlossen werden (mittleres Alter 38 ± 17,5 Jahre, 49,3 % weiblich). Von diesen waren zum Zeitpunkt der Erhebung n = 32 (5,9 %) bereits verstorben. 33,3 % der Patienten hatten einen leichten AHF, 35,4 % einen mittelgradigen und 28,9 % einen schweren. In 13 Fällen (2,4 %) war der AHF nicht klassifizierbar. Von unseren Patienten waren 45,6 % in die NYHA-Klasse I einzuordnen, 32,6 % in NYHA-Klasse II, 17,0 % in NYHA-Klasse III und 1,5 % in NYHA-Klasse IV.

Kardiovaskuläre Risikofaktoren und erworbene kardiovaskuläre Erkrankungen:
50,2% der Patienten (n = 271) waren adipös, 26,3% (n = 142) hatten eine TIA/einen Apoplex in der Anamnese, 20,9% (n =113) einen arteriellen Hypertonus. Eine Hyperlipidämie und ein Diabetes mellitus fanden sich bei 15% (n = 81) bzw. 10,6% (n = 57) der Studienteilnehmer. Eine manifeste koronare Herzerkrankung (KHK) bestand bereits bei 3% (n = 16) und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) bei 1,7% (n = 9). Ein Nikotinkonsum fand sich bei 5,7 % der Patienten (n = 31).

Medikation:
Die Patienten mit einer KHK erhielten in 81,3% der Fälle eine antithrombotische Medikation (62,5% Thrombozytenaggregationshemmer [TAH], 12,5% orale Antikoagulantien [OAK], 6,3% beides). Dies bedeutet, dass 18,7% ohne medikamentöse Therapie diesbezüglich sind. Einen ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten erhielten 50%, einen Beta-Blocker ebenfalls 50% und einen Lipidsenker 18,8%.

Patienten mit pAVK erhielten in 44,4% einen TAH, eine OAK erfolgte bei keinem Pateinten mit pAVK. Damit waren 55,6% ohne TAH, und nur 22,2% nahmen einen Lipidsenker ein.

Patienten mit Z. n. TIA oder Apoplex erhielten zu 36% einen TAH, 26,8% OAK und in 5,6% der Fälle beides (31,7% ohne medikamentöse Therapie). Nur 2,1% dieser Patienten erhielten Lipidsenker.

Bei Patienten mit einer arteriellen Hypertonie erhielten zu 66,4% eine blutdrucksenkende Therapie: 46% Beta-Blocker, 44,2% ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, 32,7% Diuretika und 10,6% Kalziumantagonisten. Bei 24,8% der hypertensiven Patienten erfolgte eine Monotherapie und bei 41,6% eine Kombinationstherapie verschiedener Antihypertensiva. Bei 33,6% bestand keine antihypertensive Therapie.

Bei einer manifesten Hyperlipidämie erhielten die Studienteilnehmer zu 37% einen Lipidsenker, und bei einem Diabetes mellitus in nur 7% der Fälle.

Schlussfolgerungen:
Bei EMAH finden sich – wie auch in der Allgemeinbevölkerung – zunehmend kardiovaskuläre Risikofaktoren und erworbene kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Möglichkeiten einer leitliniengerechten medikamentösen Primär- bzw. Sekundärprävention dieser Erkrankungen werden aktuell bei diesen Patienten nicht voll ausgeschöpft. Zwischen 19% (bei EMAH mit KHK) und 93% (EMAH mit Diabetes mellitus) der Patienten werden nicht entsprechend den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie therapiert. Daher besteht ein großes Potential für eine Optimierung der Behandlung von EMAH-Patienten und damit einhergehend möglicherweise eine Verbesserung der Langzeitprognose dieser wachsenden Patientengruppe.

Nationales Register für angeborene Herzfehler e. V.
Das Register wird seit Januar 2015 zu einem großen Anteil vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) finanziert. Die Registerdatenbank ist das Kernprojekt im Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. Sie wird als gemeinnütziger Verein von den drei großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Herzmedizin – der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie – geführt. Der Vorstand setzt sich aus Vertretern der herzmedizinischen Fachgesellschaften zusammen und entscheidet über das inhaltliche Vorgehen im Register.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org