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Zusammenhang zwischen ionisierender Strahlung und Linsentrübungen bei beruflich exponierten interventionellen Kardiologen und Radiologen. Vorstellung einer aktuellen Studie in Deutschland

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Dr. Ulrike Scheidemann-Wesp et.al, Mainz 

Hintergrund und Fragestellung: Ionisierende Strahlung ist als Risikofaktor für die Entwicklung von Linsentrübungen bekannt, was hauptsächlich in Studien mit Atombombenüberlebenden, Tschernobyl-Unfall-Betroffenen und strahlenexponierten Patienten gezeigt wurde (Hammer 2013). Die Dosis-Wirkungs-Beziehung im niedrigen Dosisbereich ist hingegen nach wie vor unklar. Diesem Dosisbereich sind interventionell tätige Kardiologen ausgesetzt. Deshalb ist dieser Bereich für den Strahlenschutz hochrelevant. Die International Commision on Radiation Protection (ICRP) senkte 2011 den empfohlenen Grenzwert für die berufliche Exposition der Augenlinse auf 20 mSv pro Jahr gemittelt über 5 Jahre, wobei in keinem Jahr 50 mSv überschritten werden dürfen. Mit einer Pilotstudie bei interventionellen Kardiologen, Radiologen und Neuroradiologen in Deutschland soll die Durchführbarkeit einer Untersuchung des Zusammenhangs zwischen ionisierender Strahlung und Linsentrübungen in diesem Dosisbereich nachgewiesen werden. Das Design der aktuell initiierten Studie in Deutschland wird hier präsentiert.

Studiendesign: Die Studie beginnt als Querschnittsuntersuchung in zwei Pilotregionen (Großraum Bonn/Köln/Aachen und Rhein-Main-Gebiet mit Mainz/Wiesbaden/Frankfurt) mit Einschluss von 50 strahlenexponierten, interventionell tätigen Kardiologen und (Neuro-)Radiologen und 50 nicht strahlenexponierten Ärzten als Kontrollen. Im Anschluss soll die Studie auf weitere Regionen ausgedehnt werden. Exponierte Probanden sollen mindestens 5 Jahre interventionell gearbeitet haben. Je eine nach Alter (+/- 2 Jahre) und Geschlecht passende Kontrollperson wird nach Teilnahmezusage der exponierten Teilnehmer rekrutiert. Alle Probanden sollen weder eine außerberufliche medizinische Strahlenexposition noch eine systemische Behandlung mit Kortikosteroiden über mehr als 4 Wochen in den letzten beiden Jahren, ein Glaukom, zurückliegende größere Augenoperationen oder Augenverletzungen haben. Das Studiendesign und die verwendeten Instrumente sind zu anderen internationalen Studien weitgehend, um eine gepoolte Auswertung zu ermöglichen.

Expositionsbestimmung: Detaillierte Angaben zu den durchgeführten Interventionen und der gerätetechnischen Ausstattung sowie Schutzmaßnahmen werden über einen Fragebogen erhoben. Sie werden ergänzt um Daten aus Dosimetriestudien zu den verschiedenen interventionellen Prozeduren und Strahlenschutzmaßnahmen, um daraus die Augenlinsendosis zu modellieren.

Augenuntersuchung: Alle Teilnehmer werden detailliert ophthalmologisch untersucht. Mittels einer Scheimpflugkamera wird die Trübung der Augenlinse gemessen und digital dokumentiert. 25 Aufnahmen pro Auge werden anschließend zentral densitometrisch ausgewertet, insbesondere mit Fokus auf Speichen- oder keilförmige Linsentrübungen und posterior subkapsuläre Katarakte. Als Effekt der Strahlung werden außerdem homogene Verdichtungen von diskreten oberflächlichen und tiefen Rindenschichten im Densitogramm der Linsen erwartet. Des Weiteren erfolgt eine Spaltlampenaufnahme der Augenlinse mit klassischer Klassifikation nach dem lens opacities classification system (LOCS III). Der Vorteil der Scheimpflugkamera-Untersuchung liegt in der objektiven Messung, die daher als Basis für Langzeitbeobachtungen der Entwicklung geeignet ist, während die LOCS-Klassifikation ein subjektives Verfahren darstellt, das aber internationale Vergleiche ermöglicht. Daher wird hier eine Doppelbefundung vorgenommen.

Analyse: Alle Teilnehmer der Pilotstudie erhalten einen objektiven Befund der Augenlinse. Wir bestimmen die Prävalenz der Linsentrübung in verschiedenen Regionen der Augenlinse bei den exponierten vs. nicht exponierten Teilnehmern und stellen diese bei den Exponierten in Abhängigkeit von der modellierten Linsendosis dar. Die Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie in der Pilotphase wird außerdem wichtige Informationen zur Durchführbarkeit einer Hauptstudie in Deutschland liefern.

Schlussfolgerungen: Die in zwei Pilotregionen initiierte Studie erlaubt einen ersten Vergleich der Prävalenz der Linsentrübungen zwischen exponierten und nicht-exponierten Ärzten. In der Hauptstudie ist die Analyse der Dosis-Wirkungsbeziehung und Abschätzung eines Dosis-Schwellenwertes geplant. Damit kann eine wichtige Wissenslücke geschlossen werden, die eine wissenschaftliche Grundlage für den Schutz strahlenexponierter Ärztinnen und Ärzte bilden wird.

 Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org