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Pressemitteilung DGK

EKG-Veränderungen und regionale Wandbewegungsstörungen in der Akutphase des Takotsubo Syndroms

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Dr. Valerie Weihs et.al, Wien

Das Takotsubo Syndrom (auch apical ballooning syndrome, stress-induzierte Kardiomyopathie oder Broken-Heart-Syndrom genannt) ist ein, in letzter Zeit immer häufiger diagnostiziertes Krankheitsbild, betrifft (Durchschnittsalter 70 Jahre). Charakterisiert ist dieses klinische Syndrom durch Zeichen einer akuten myokardialen Ischämie, wie akut einsetzende Thoraxschmerzen und/oder Atemnot, sowie Veränderungen im Bereich der ST/T Strecken des Elektrokardiograms (EKG) und/oder einer Erhöhung der myokardialen Biomarker (cTnI/T, CK, CK-MB) (1-8). Dem Einsetzen der Symptomatik geht häufig ein akutes emotionales und/oder physisches Stressereignis voran (10,11,12). Auch wenn diese pathologischen Veränderungen auf ein akutes myokardiales Ischämiegeschehen deuten, weisen die PatientInnen in einer akut durchgeführten Koronarangiographie keine wirksamen Stenosen der epikardialen Koronargefäße auf. Typischerweise zeigen sich regionale linksventrikuläre Wandbewegungsstörungen in der Levokardiographie oder Echokardiographie, die nicht im Versorgungsgebiet einer einzelnen Koronararterie liegen. Zumeist bilden sich alle pathologischen Veränderungen innerhalb weniger Tage bis Wochen zurück. Obwohl dieses Krankheitsbild im Allgemeinen als benign verlaufend betrachtet wird, kann es vor allem in der Akutphase des Syndroms zu Komplikationen, wie der Entwicklung eines kardiogenen Schocks oder Herzrhythmusstörungen aufgrund der akut einsetzenden Linksherzinsuffizienz kommen. Auch wird bei bis zu 11% der PatientInnen mit Takotsubo Syndrom über ein Rezidiv des Syndroms berichtet (8).

Stress-induzierte Kardiomyopathie in Österreich.

In dieser retrospektiven Studie wurden österreichweit (multizentrisch) 172 PatientInnen mit Takotsubo Syndrom anhand der vorgeschlagenen Kriterien der Mayo Clinic erfasst. Es fanden sich hier 93.6% Frauen und 6.4% Männer.

Regionale Wandbewegungsstörungen und 4 Typen des Takotsubo Syndroms.

Anhand der typischen regionalen Wandbewegungsstörungen des linken Ventrikels in der Akutphase, gelang es die 4 verschiedenen Typen des Takotsubo Syndroms zu identifizieren: am häufigsten zeigte sich der klassische Typ eines apikalen Takotsubo Syndrome (62.2%) mit dem typischen „apical ballooning“ des linken Ventrikels (Abbildung 1 und 2), ein kombiniert apikal-midventrikulärer Typ (19.8%) mit regionaler Dysfunktion in allen apikalen und midventrikulären Segmenten des linken Ventrikels, ein isoliert die midventrikulären Segmente betreffender Typ des midventikulären Takotsubo Syndroms (5.8%), sowie ein sehr selten vorkommender Fall eines basalen Takotsubo Syndroms (n=2).

Vorhandene Stressereignisse.

Ein vorranggegangenes Stressereignis konnte bei 97 PatientInnen (56.4 %) detektiert werden: einerseits rein emotionale oder rein physische Stresserlebnisse, jedoch auch fand sich auch eine Kombination aus emotionalen und physischen Stress. Männer präsentierten sich am häufigsten mit einem akuten physischen Stressereignis (45.5%), gefolgt von emotionalen Stress (18.2%), Frauen wiesen zu etwa gleichen Teilen emotionale und physische Stressereignisse auf (24.2% vs. 26.1%; p=0.507).

EKG Veränderungen in der Akutphase.

EKG Veränderungen in der Akutphase wurden in Zusammenschau mit den verschiedenen Typen des Takotsubo Syndroms analysiert: der apikale sowie der kombiniert apikal-midventrikuläre Typ zeigte am häufigsten ST-Hebungen (beide ca. je 41%) im Akut-EKG im Sinne eines akuten ST-Hebungs-Infarktes (STEMI) (Abbildung 3), wohingegen der midventrikuläre Typ am häufigsten diffuse T Negativierungen aufwies (60%) ähnlich einem Nicht-ST-Hebungs-Infarkt (NSTEMI) (Abbildung 4). Die 2 Fälle des basalen Takotsubo Syndroms präsentierten sich mit einem neu aufgetretenen Linksschenkelblock und diffusen unspezifischen T Negativierungen. Es konnten keine signifikanten Unterschiede der EKG Veränderungen zwischen Frauen und Männern gefunden werden (p=0.71). PatientInnen mit einem vorrangegangenen emotionalen Stressereignis zeigten am häufigsten T Negativierungen (46.3%), gefolgt von ST Hebungen (36.6%), wohingegen PatientInnen mit einem physischen oder kombiniert emotional-physischen Stressereignis am häufigsten ST Hebungen (51.1% und 66.7%), gefolgt von T Negativierungen (31.9% und 33.3%) zeigten. Die genannten EKG-Veränderung zeigten sich meistens in den Ableitungen I, II, aVL, aVF und V2-V6, wohingegen die Ableitungen III und V1 am wenigsten betroffen schien.

Komplikationen des Takotsubo Syndroms in der Akutphase.

PatientInnen mit kombiniert apikal-midventrikulären Takotsubo Syndrom entwickelten aufgrund der ausgedehnten Wandbewegungsstörungen und der akuten Linksherzinsuffizienz am häufigsten Komplikationen: Herzrhythmusstörungen (12.2%), kardiale Dekompensation (9.1%), kardiogener Schock und die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung (3%). Ein Patient mit einem apikalen Takotsubo Syndrom und ST Hebungen im Akut-EKG verstarb. Kardiovaskuläre Komplikationen scheinen häufiger bei Männern (36.4%) als bei Frauen (12.8%; p=0.000) aufzutreten. Es scheint jedoch keinen Unterschied im Auftreten der Komplikationen zwischen PatientInnen mit ST Hebung (13.4%) und PatientInnen mit T Negativierung (12.9%; p=0.255) zu geben.

Fazit: PatientInnen mit Takotsubo Syndrom in Österreich sind am häufigsten ältere, postmenopausale Frauen mit regionalen Wandbewegungsstörungen in den apikalen linksventrikulären Regionen des Herzens sind. Es finden sich unter PatientInnen mit Takotsubo Syndrom jedoch auch Männer, sowie jüngere PatientInnen (<40 Jahre). Das Takotsubo Syndrom ähnelt in der klinischen Präsentation, dem Anstieg der myokardialen Bioarker und den EKG Veränderungen einem akuten Koronarsyndroms (ACS): am häufigsten finden sich ST Hebungen, ähnlich einem akuten STEMI,  gefolgt von diffusen T Negativierungen, ähnlich einem NSTEMI. EKG-Veränderungen werden am häufigsten in den Ableitungen I, II, aVL, aVF und V2-V6 beobachtet. Jedoch finden sich in der Koronarangiographie keine Hinweise auf ein obstruktives Geschehen oder akute Plaqueruptur. Vorrangegangene Stressereignisse können sowohl von emotionaler, wie auch von physischer Natur sein. Betroffene Männer weisen am häufigsten ein vorrangegangenes physisches Stressereignis auf. Im Akutgeschehen kommt es zu typischen regionalen Wandbewegungsstörungen des linken Ventrikels, wobei 4 Typen des Takotsubo Syndroms unterschieden werden können. Zu Komplikationen in der Akutphase kommt es am häufigsten bei dem kombiniert apikal-midventrikulären Typ des Takotsubo Syndroms und bei Männern. Typischerweise bilden sich die pathologische Befunde (vor allem die regionale linksventrikuläre Dysfunktion) innerhalb weniger Tage bis Wochen zurück, jedoch kann bei einigen PatientInnen eine verzögerte Erholung nachgewiesen werden („delayed recovery“) (Abbildung 2) (11,12).

Die Ergebnisse dieser Studie weisen auf die unterschiedliche Präsentation und Ausprägung des Takotsubo Syndroms, beispielsweise im Vergleich mit den USA, hin. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen des Takotsubo Syndroms könnten möglicherweise dazu beitragen die diagnostische Kriterien sowie die therapeutischen Optionen zu verbessern.

 

Referenzen:

1. Song BG, Chun WJ, Park YH, et al. The clinical charac- teristics, laboratory parameters, electrocardiographic, and echocardiographic findings of reverse or inverted takotsubo cardiomyopathy:comparison with mid or apical variant. Clin Cardiol 2011; 34: 693–699.

2. Kurowski V, Kaiser A, von Hof K, , Killermann DP, Mayer B, Hartmann F, Schunkert H, Radke PW. Apical and midventricular transient left ventricular dysfunction syndrome (Tako-Tsubo-Cardiomyopathy). Frequency, mechanism, and prognosis. Chest 2007;132:809-816

3. Akashi YJ, Nakazawa K, Sakakibara M, Miyake F, Koike H, Sasaka K. The clinical features of takotsubo cardiomyopathy. Q J Med 2003;96:563-573

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12. Weihs V, Szuecs D, Fellner B, Eber B, Weihs W, Lambert Th, Metzler B, Titscher G, Hochmayer B, Dechant C, Eder V, Siostrzonek P, Leisch F, Pichler M, Pachinger O, Gaul G, Weber H, Podzeck-Schweighofer A, Nesser HJ, Huber K. Stress-induced cardiomyopathy (Tako-Tsubo syndrome) in Austria. Eur H J: ACC 2013;2:137-146

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