Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Herzfrequenzanalyse unter Belastung als prognostischer Parameter bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern: Ergebnisse einer KI-Studie an Smartwatch-verfügbaren Parametern bei 750 Patienten
M. L. Benesch Vidal1, R. M. Radke2, H. Baumgartner3, M. A. Gatzoulis4, G. P. Diller3
1Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen, Universitätsklinikum Münster, Münster; 2Department für Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster; 3Klinik und Poliklinik für angeborene (EMAH) & erworbene Herzfehler, Universitätsklinikum Münster, Münster; 4Royal Brompton Hospital, London, UK;

Hintergrund: Kardiopulmonale Belastungstests (Spiroergometrie / engl. CPET) stellen ein bewährtes Prognoseinstrument in der Begutachtung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) dar. Vergleichbare physiologische Parameter werden jedoch auch über seit einigen Jahren auf dem Markt verfügbare sogenannte „Wearables“, insbesondere Smartwatches, geliefert. Diese erfassen die Herzfrequenz unter und nach Belastung, die Sauerstoffsättigung sowie den Herzrhythmus. Ziel dieser Studie war es die prognostische Aussagekraft dieser Informationen im Vergleich zu derjenigen konventioneller CPET-Messungen unter dem Gesichtspunkt der qualitativ gleichwertigen, einfachen und kostengünstigen Anwendbarkeit zu untersuchen. 

 

Methoden: Insgesamt wurden 750 Patienten (48% weiblich, Alter 31 [IQR 22-41] Jahre, 41% komplexe Erkrankung) mit unterschiedlichen Formen angeborener Herzfehler ohne Schrittmacherimplantation eingeschlossen. Erhobene Parameter umfassten die Sauerstoffsättigung, das Vorhandensein eines Sinusrhythmus, den maximalen Sauerstoffverbrauch (peakVO2), die Spitzenherzfrequenz und den Herzfrequenzabfall in einem zweiminütigen Zeitintervall nach der Maximalbelastung. Darüber hinaus wurde ein Machine Learning (ML) Algorithmus (Random Forest with Synthetic Minority Oversampling Techniques) zur Mortalitätsrisiko-Berechnung über einen Nachbeobachtungszeitraum von 10 Jahren programmiert. Dieser wurde anschließend in eine Smartphone-Anwendung zur kosteneffizienten Risikostratifizierung von Patienten im klinischen Kontext implementiert.  

 

Ergebnisse: Während des medianen Nachbeobachtungszeitraums von 17,9 [IQR 14,6-19,6] Jahren (12.060 Patientenjahre) verstarben 174 Patienten (23,4%). Die dynamischen Herzfrequenz-Parameter stellten im Rahmen der univariaten Cox-Analyse signifikante Parameter zur Vorhersage der Gesamtmortalität dar (p<0,001 für alle), mit einer vergleichbaren Trennschärfe (c-Indizes zwischen 0,712-0,718) zu peakVO2  (c-Index 0,712). Auf der Basis dieser Eingangsanalyse wurde ein multivariates Cox-Modell erstellt, welches prognostische Abschätzungen hinsichtlich der Mortalität auf einem Konkordanzniveau von 0,75 (Standardfehler: 0,024) lieferte. 

Der darüber hinaus programmierte ML-Algorithmus wies in einem unabhängigen Testdatensatz eine Genauigkeit von 83,54% (95% CI 73,5- 90,9 %) und eine Sensitivität von 91,2% auf. 

 

Schlussfolgerungen: Smartwatch-verfügbare Parameter ermöglichen die Identifikation von EMAH-Patienten mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko. Diese Parameter zeigten innerhalb unserer Studie keine Unterlegenheit im Vergleich zum maximale Sauerstoffverbrauch, welcher als Goldstandard bei kardiopulmonalen Belastungstests gilt. Die mobile, kontinuierliche Analyse physiologischer Parameter durch Smartwatch-Systeme könnte daher eine einfache und kosteneffiziente Möglichkeit der Risikostratifizierung von EMAH-Patienten darstellen, ohne dabei auf zeitaufwändige klinische Belastungstests zurückgreifen zu müssen. 


https://dgk.org/kongress_programme/jt2023/aV8.html