Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Zelltodmechanismen und deren Implikationen in der Entstehung von thorakalen Aortenaneurysmen im murinen Marfan-Syndrom
O. Zimmermann1, H. Guthoff2, H. Nemade3, D. Mehrkens4, F. Nettersheim4, S. Geißen1, A. Hof5, M. Pasparakis6, G. Sengle7, S. Baldus1, M. Mollenhauer4, A. Garcia-Saéz6, M. Adam4
1Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Herzzentrum der Universität zu Köln, Köln; 2Klinik III für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Köln, Köln; 3Klinik III für Innere Medizin - Experimentelle Kardiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln; 4Klinik III für Innere Medizin, Herzzentrum der Universität zu Köln, Köln; 5Herzzentrum - Kardiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln; 6Institut für Genetik, Köln; 7Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Köln, Köln;
Hintergrund: Das Marfan-Syndrom (MFS) ist eine hereditäre Bindegewebserkrankung, die durch Mutationen des für das gleichnamige Protein kodierende Fibrillin-1-Gens (Fbn1) ausgelöst wird. Eines der Kardinalsymptome ist die Formation von thorakalen Aortenaneurysmen (TAA), die nach wie vor zu einer relevanten Übersterblichkeit führen. Eine effektive kausale Therapieoption besteht momentan nicht. Eine Beteiligung von Zelltodmechanismen konnte bezüglich Apoptose für die TAA-Entstehung bereits gezeigt werden.

Ziel: Um das pathophysiologische Verständnis der TAA-Formation zu verbessern, untersuchen wir den Effekt verschiedener Zelltodmechanismen im MFS. Als vielversprechenden Mechanismus identifizierten wir die Nekroptose, einen Form des regulierten, entzündlichen Zelltods, mit deren zentralem Mediator mixed lineage kinase domain like pseudokinase (MLKL).

Methodik: Für in vivo-Untersuchungen generierten wir eine Nekroptose-defiziente MFS-Linie, indem wir Fbn1C1039G/+- (MFS) und MLKLS345/7A/S345/7A-Mäuse (Nekroptose-defizient) des C57BL/6-Hintergrundes kreuzten. Im Alter von 6, 12 und 18 Wochen wird die Aorta ascendens echokardiographisch untersucht, um den aortalen MFS-Phänotyp zu charakterisieren. Im Alter von 12 Wochen werden die Versuchstiere mittels kardialer Blutentnahme und Perfusion getötet und nachfolgend die Aorta entnommen. In weitergehenden Experimenten wurde die Expression der Nekroptose-Mediatoren (MLKL, RIPK1/3, TNF, TNFR) in der Aorta ascendens mittels Immunoblotting untersucht. Außerdem führten wir eine Immunfluoreszenzfärbung auf Caspase-3 zur Untersuchung apoptotischer Prozesse sowie eine Masson-Trichrom-Färbung zur Untersuchung strukturellen vaskulären Remodelings durch.

Ergebnisse: In der Gruppe der MFS-Mäuse konnten wir eine vermehrte Expression sowie ein vermehrtes Maß an Phosphorylierung, und somit Aktivierung, von MLKL nachweisen. Im Vergleich zu Nekroptose-kompetenten MFS-Mäusen zeigte sich bei den pMLKL-defizienten MFS-Mäusen ein signifikant erhöhter Aortendiameter auf Höhe des Bulbus (18 Wochen: 2,3mm ± 0,171mm vs. 2,094mm ± 0,155mm (MW ± SD), p = 0.03, n = 7/9; 12 Wochen: 2,248mm ± 0,130mm vs. 2,024mm ± 0,118mm (MW ± SD), p = 0.003, n = 12/7). Molekularbiologisch konnten wir bei der Nekroptose-defizienten Versuchsgruppe eine vermehrte Aktivität von gespaltener Caspase-3 im Vergleich mit MFS-Mäusen (mittlere Fluoreszenzaktivität 0,406 ± 0,293 vs. 0,080 ± 0,047, p = 0.02, n = 5/6), sowie eine erhöhte Kollagendeposition in der Tunica media im Vergleich mit Wildtyp-Mäusen (durchschnittlich 4,606-fache Signalintensität, p = 0.03, n = 5/5) dokumentieren.

Zusammenfassung: Diese Daten zeigen, dass Zelltodmechanismen eine entscheidende Rolle in der Entstehung von MFS-assoziierten TAA spielen. Die Nekroptose scheint hierbei einen protektiven Effekt zu haben, da Nekroptose-defiziente Versuchstiere einen aggravierten aortalen MFS-Phänotyp im Sinne einer verstärkten Dilatation der Aorta ascendens auf Höhe des Bulbus aufzeigen. Das Zusammenspiel von Apoptose und Nekroptose sowie auch weiterer Zelltodformen wie der Pyroptose und Ferroptose im Marfan-Syndrom müssen noch Gegenstand weitergehender Untersuchungen sein, um die genauen Hintergründe dieser Beobachtungen aufzuklären.


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