Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Stereotaktische Arrhythmie Radioablation (STAR) ohne elektrophysiologische Untersuchung bei therapierefraktärer ventrikulärer Tachykardie
M. F. Sinner1, S. Fichtner2, R. Thaler1, A. S. von Falkenhausen1, K.-M. Niyazi3, S. Corradini3
1Medizinische Klinik und Poliklinik I, LMU Klinikum der Universität München, München; 2Medizinische Klinik I - Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Krankenhaus Landshut-Achdorf, Landshut; 3LMU Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, München;

Hintergrund

Ventrikuläre Tachyarrhythmien sind oft lebensbedrohlich. Neben medikamentöser Therapie wird zunehmend oft myokardiales Substrat mittels Katheterablation modifiziert. Bei ausbleibendem Erfolg war in etlichen berichteten Fällen eine stereotaktische Strahlentherapie (STAR – Stereotaktische Arrhythmie Radioablation) erfolgreich. Die Bestrahlungsplanung erfordert meist ein invasives elektroanatomisches Mapping (EAM) zur Definition des Zielvolumens der Bestrahlung. Wir berichten hier einen Fall von STAR ohne Möglichkeit zum präprozeduralen EAM.

 

Fallkonstellation

Ein 63-jähriger Mann mit ischämischer Kardiomyopathie wird im April 2022 notärztlich vorgestellt, nachdem wiederholt anhaltende, symptomatische, hämodynamisch primär tolerierte Palpitationen aufgetreten waren. Der Notarzt kardiovertierte eine Breitkomplextachykardie in Kurznarkose. Bei Ankunft war der Patient wach, ansprechbar und vital stabil. Intrahospital rezidivierte die Breitkomplextachykardie, am ehesten eine ventrikuläre Tachykardie (VT) aus dem linksventrikulären Apex (I negativ, superiore Achse, negative Konkordanz; Abbildung A). Bei CRT-D Versorgung wurden frustrane ATP-Therapien beobachtet. Die VT akzelerierte zu Kammerflimmern, welches mittels CRT-D Schockabgabe terminiert wurde. Es entwickelte sich eine zunehmende Rhythmusinstabilität, welche eine antiarrhythmische Therapie mit Amiodaron und Lidocain intravenös erforderte. Die Aggregatabfrage ergab einen elektrischen Sturm mit 163 adäquaten Therapieepisoden. Die Koronarangiographie schloss akut versorgungspflichtige Läsionen aus. Echokardiographisch fand sich eine hochgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion (Ejektionsfraktion 20%); zusätzlich imponierte trotz oraler Antikoagulation mit Phenprocoumon im Zielbereich ein großer, organisierter Thrombus im linksventrikulären Apex (Abbildung B). In dieser Konstellation ohne elektrophysiologische Therapieoption erfolgte die interdisziplinäre Diskussion mit der Strahlentherapie.

Zur Bestrahlungsplanung erfolgte eine Kontrastmittel-gestützte CT-Angiographie des Herzens. Die kardialen Strukturen und die Umgebungsstrukturen wurden mit Hilfe der Software inHeart Medical (Pessac, Frankreich) dreidimensional segmentiert. Hiermit und auf Basis der vermuteten Arrhythmie-Lokalisation im 12-Kanal EKG wurde das Bestrahlungszielvolumen interdisziplinär definiert. Es folgte die Planung der Bestrahlungsdosis mittels 4D-CT unter abdomineller Kompression zur Reduktion der Atembeweglichkeit des Zielgebietes. Anschließend erfolgte die primär komplikationslose STAR mit Applikation von einmalig 25Gy, dosiert auf die 80% Isodose, in einer Volumetric Intensity Modulated Arc Therapie (VMAT) Technik mit 6MV Photonen.

Nach STAR erfolgte die Rückübernahme auf die Intensivstation mit Beendigung der Lidocain-Therapie. Im Verlauf imponierte eine einzelne ATP-sensible VT-Episode. Der Patient konnte von Normalstation entlassen werden. Seitdem fanden sich bis Oktober 2022 keine weiteren VTs. Offensichtliche Nebenwirkungen der STAR traten nicht auf. Die nächste Nachsorge ist für März 2023 geplant.

 

Diskussion

Zusammenfassend berichten wir einen der weltweit ersten Fälle einer mittelfristig erfolgreichen STAR bei therapierefraktärer VT, welche ohne EAM durchgeführt wurde. Der Fall unterstreicht die Bedeutung interdisziplinärer Kooperation zur Behandlung solch kritisch kranker Patienten. Weitere Studien sind erforderlich, um die Bedeutung der STAR über Fallberichte hinaus zu bestimmen.

https://dgk.org/kongress_programme/jt2023/aV1247.html