Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Monte Carlo-Simulation zum hohen Stichprobenfehler histologischer und molekularbiologischer Myokarditis-Diagnostik an Endomyokardbiopsien - Elimination des Fehlers durch primäre RNAlater-Fixation
G. Mall1
1MVZ für Klinische Pathologie Darmstadt, Klinikum Darmstadt, Darmstadt;

Hintergrund: Die Wahrscheinlichkeit, 2-3 mm³ große inflammatorische Herde des Endomyokards bioptisch zu erfassen, hängt vom Schweregrad der Entzündung ab. Endomyokardbiopsien werden in der Regel für histologische und molekulare Untersuchungen getrennt eingesandt. Die Arbeit von Kindermann et al. (Circulation. 2008; 118: 639-648) zeigt beispielsweise eine prognostisch unabhängige Signifikanz mit den Endpunkten Tod oder Herztransplantation für drei Parameter: 1. Immunhistologische Dichte des Entzündungsinfiltrats, 2. Herzinsuffizienz NYHA III oder IV und 3. Behandlung mit Betablockern. Dabei wurden 3 Endomyokardbiopsien in gepuffertem Formalin für die Histologie und 2 Endomyokardbiopsien in RNAlater für die Infektionsdiagnostik entnommen.

Fragestellung: Wie groß ist das Risiko, dass bei einer bioptisch erfassten Virusmyokarditis ein falsch negatives Ergebnis der molekularen Diagnostik zu erwarten ist?

 

Material und Methode: Für 10 %, 20 % … bis 100 % Anteil der inflammatorischen Infiltrate am Endomyokard eines Ventrikels sollen die Erwartungswerte falsch negativer Infektionsdiagnosen berechnet werden (sog. Monte Carlo-Simulation).

 

Ergebnisse: Bei 70%igem und höherem Anteil der inflammatorischen Infiltrate am Endomyokard betragen die Erwartungswerte falsch negativer Infektionsdiagnosen maximal 1%, bei 60%igem und geringerem Anteil der inflammatorischen Infiltrate errechnen sich Erwartungswerte falsch negativer Infektionsdiagnosen von 15 % bis 84 %.

 

Diskussion und Schlussfolgerungen: Von Hauck AJ, Kearney DL, Edwards, WD, MAYO CLINIC PROCEEDINGS vol. 64, pp. 1235-1245 (1988) wurde an 37 Herzen an Myokarditis oder Perimyokarditis verstorbenen Patienten/Patientinnen die Entnahme von Endomyokardbiopsien simuliert. Bei 23 % der Fälle handelte es sich um eine Perimyokarditis. Im Übrigen betrug der Erwartungswert einer mindestens an einer von drei linksventrikulären Endomyokardbiopsien positiven Diagnose 22 %. Interessanterweise ergibt unsere Monte Carlo Simulation einen Erwartungswert für drei linksventrikuläre Endomyokardbiopsien bei Virusmyokarditis von ebenfalls 22 %. Dies bedeutet, dass 1) die prognostisch relevante Myokarditis-Diagnose nach den Kriterien der Kindermann-Arbeit eine Differenzialdiagnose zwischen Autoimmunmyokarditis und Virusmyokarditis wegen des Stichprobenfehlers bei der molekularen Diagnostik nicht erlaubt und 2) in der Prognose tödliche Perimyokarditiden nicht erfasst werden. In meiner Darmstädter Arbeitsgruppe (in Zusammenarbeit mit Kerstin Amann, Pathol. Institut Erlangen) lassen wir deshalb alle Biopsien unabhängig von der Fragestellung  in RNAlater-fixiert einsenden, was den Stichprobenfehler der Infektionsdiagnostik bei Myokarditis ausschaltet und eine für Diagnostik und Forschung integrierte histologische, immunhistologische und molekulare Analyse erlaubt. Mit Zustimmung der Ethikkommission der Landesärztekammer
Hessen überblicken wir jetzt eine Serie von 150 rechtsventrikulären und linksventrikulären Endomyokardbiopsien.

 


https://dgk.org/kongress_programme/jt2023/aP2179.html