Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Aortenklappenstenose-on-a-chip – Modulation der Extrazellularmatrix in substanzfrei, dynamisch pulsatil kultiviertem Aortenklappengewebe
M. Winkelkotte1, A. Scheer1, E. Voigt1, F. Schmieder2, S. Behrens2, A. Jannasch1, K. Matschke3, F. Sonntag2, S. M. Tugtekin3, C. Dittfeld1
1Forschungsabteilung der Klinik für Herzchirurgie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, Dresden; 2Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, Dresden; 3Klinik für Herzchirurgie, Herzzentrum Dresden GmbH an der TU Dresden, Dresden;

Einleitung:
Die kalzifizierende Aortenklappenstenose ist eine der häufigsten kardio-vaskulären Erkrankungen. Perspektivisch bedingt der demographische Wandel eine zunehmende Relevanz der Aortenstenose, die letztendlich in einer dilatativen Kardiomyopathie mit einhergehender Herzinsuffizienz mündet.

Die einzige kurative Behandlung ist der chirurgische Aortenklappenersatz durch meist biologische Prothesen. Aufgrund ausstehender substanzbasierter Therapieoptionen ergibt sich die Notwendigkeit, zugrundeliegende pathophysiologische, passive und aktiv-zellulär gesteuerte Prozesse intensiver zu erforschen. Fokus sind valvuläre, interstitielle Zellen und deren Regulation mit dem Ziel, Strategien für pharmakologische Interventionen zu entwickeln. Bedingt durch Limitationen von in vitro und in vivo Modellen, werden unterstützend ex vivo Ansätze zur Kultur von Aortenklappengewebe angestrebt, realisiert z.B. durch mikrophysiologische Systeme (MPS). MPS, auch als Lab/Organ-on-a-Chip Systeme bekannt, ermöglichen die Simulation (patho)physiologischer Parameter der komplexen Aortenklappenposition.

Hypothese:
Die pulsatil-dynamische Kultur von porcinem und humanem Aortenklappengewebe in einem modularen MPS mit TIC (tissue incubation chamber) unter Erhalt der Viabilität realisiert den Erhalt des ursprünglichen Aufbaus und der Zusammensetzung der Extrazellularmatrix. Die MPS-TIC-Gewebekultur ermöglicht die Analyse integren Aortenklappengewebes einschließlich der Zell-Zell- und Zell-Matrix-Kontakte sowie die Modulation (patho)physiologischer Prozesse.

Material und Methoden:
An den Koaptationsrand angrenzende Gewebebereiche porciner und humaner Aortenklappengewebe wurde auf 3 x 5 mm² zugeschnitten und auf 10
± 0,5 mg Masse-normiert. Die Zuschnitte wurden anschließend in radialer Ausrichtung in die TIC eingenäht und bei Scherkräften von 0,26 dyn/cm² für 14 Tage inkubiert. Eine statische sowie eine Totzellgewebskontrolle (Triton X100) wurde mitgeführt. Zur Etablierung wurden porcine Aortenklappen von Schlachttieren verwendet. Die Masse wurde nach Experimentende bestimmt und die Viabilität durch histologische Analyse der LDH-Aktivität am Gefrierschnitt validiert. Um die Modulation der Extrazellularmatrix und die Kalzifizierung zu untersuchen, wurden MOVAT’s Pentachrom-, Picrosiriusrot‑, und Alizarinrot-Färbungen durchgeführt. Immunhistochemisch wurde die Expression von  α-SMA und CD31 nachgewiesen.

Resultate:
In der Endpunkanalyse zeigte sich eine signifikante Reduktion der Probenoberfläche und der Masse nach pulsatiler, dynamischer Kultur im MPS-TIC, bei Erhalt der Viabilität. Dabei wurde durch die Pentachrom-Färbung der Dreischichtaufbau des Aortenklappengewebes belegt sowie sporadisch eine aufgelockerte ECM-Morphologie. Die Quantifizierung der Picrosiriusrot-Färbung ergab eine signifikante Erhöhung des Kollagengehaltes im dynamischen und statischen Ansatz im Vergleich zu nativen Proben. Glykosaminoglykane,
α-SMA-und CD31-Expression hingegen blieben unverändert. Eine Anreicherung von Kalziumhydroxyapatit zeigte sich nicht.

Schlussfolgerung:
Die pulsatil-dynamische Gewebskultur resultiert in Veränderungen der Extrazellular-matrix unter Erhalt des Dreischichtaufbaus des Aortenklappengewebes. Parallelen initialer degenerativer Veränderungen der Aortenklappe werden reflektiert. Die Charakterisierung pathophysiologischer und die Optimierung der physiologischen biomechanischen Simulation im MPS-TIC sind weiterführend Projektziele.


https://dgk.org/kongress_programme/jt2023/aP2090.html