Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Molekulare Autopsie: Evaluierung genetischer Befunde bei plötzlichen Todesfällen in jungen Jahren und betroffenen Familien
S. Scheiper-Welling1, B. M. Beckmann1, T. Jenewein1, C. Niess1, E. Gradhand2, C. Geisen3, M. A. Verhoff1, S. Kauferstein1
1Institut für Rechtsmedizin, Goethe-Universität, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt; 2Dr. Senckenbergisches Institut für Pathologie, Goethe-Universität, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt; 3Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, DRK Blutspendedienst, Abteilung für Molekulare Diagnostik, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt;

Genetisch bedingte arrhythmogene Erkrankungen begründen einen bedeutenden Anteil plötzlicher Herztodesfälle in jungen Jahren. Eine Molekulare Autopsie kann zur Aufklärung dieser unerwarteten Todesfälle beitragen und von essentieller Bedeutung für betroffene Angehörige sein. Eine Panel-basierte Diagnostik mittels Next-Generation Sequencing (NGS) stellt aktuell die Methode der Wahl für postmortale genetische Analysen sowie die Untersuchung potentieller Risikopersonen oder klinisch auffälliger Patienten dar. Jedoch steigt durch die erhöhte Detektionsrate genetischer Veränderungen die Zahl von nachgewiesenen Varianten mit unklarer funktioneller Relevanz signifikant, wodurch eine adäquate Interpretation der genetischen Befunde erheblich erschwert wird.

In 56 plötzlichen Todesfällen im Alter von 1-50 Jahren wurde eine Molekulare Autopsie durchgeführt. Die genetischen Befunde wurden evaluiert und retrospektiv aufgearbeitet. In einer weiteren Studie wurden bislang über 100 von einem plötzlichen und unerwarteten Tod eines Angehörigen betroffene Familien untersucht. Hierbei wurde ein genetisches Screening inklusive Molekularer Autopsie in Kombination mit Familienuntersuchungen durchgeführt. Die Sequenzierung der Proben erfolgte mittels NGS und eines definierten Gen-Panels. Detektierte Varianten wurden entsprechend der ACMG-Richtlinien bewertet und klassifiziert.

In 13 % der 56 retrospektiv evaluierten plötzlichen Todesfälle konnten potentiell klinisch relevante Varianten (pathogen, wahrscheinlich pathogen, VUS-potentiell pathogen) detektiert werden, welche für ein familiäres Kaskaden-Screening in Betracht kommen. In den Fällen unserer Ambulanz, bei denen eine Molekulare Autopsie in Kombination mit Familienuntersuchungen durchgeführt wurde, konnte bereits eine deutlich höhere Aufklärungsrate erzielt werden. Bisher sind in vielen Familien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.

Eine postmortale Gendiagnostik in jungen plötzlichen Todesfällen ist von großer Relevanz. Jedoch bleiben die genetischen Befunde ohne eine weitere multidisziplinäre Aufarbeitung inklusive der Familienanamnese häufig von theoretischer Bedeutung und ohne diagnostischen Wert. Unsere Daten zeigen, dass eine Molekulare Autopsie in Verbindung mit einer strukturierten Evaluierung der Befunde betroffener Familien in einer deutlich erhöhten Aufklärungsrate dieser Fälle resultiert.


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