Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02180-w

Evaluation des prädiktiven Werts einer routinemäßigen präoperativen Messung des NT-proBNP hinsichtlich der postoperativen 30-Tage Morbidität nach nicht-herzchirurgischen Operationen
G. Schmidt1, N. Frieling1, E. Schneck1, M. Habicher1, M. Sander1, B. Aßmus2
1Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen, Gießen; 2Medizinische Klinik I - Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen;

Hintergrund: Chronische Herzinsuffizienz ist eine zunehmende Komorbidität mit ebenso steigender Prävalenz in der perioperativen Medizin, deren Vorliegen mit erhöhter Mortalität und Morbidität assoziiert ist. Die präoperative Messung des NT-proBNP zur Erkennung einer optimierungsbedürftigen Herzinsuffizienz ist bislang keine Routinemaßnahme, zeigt jedoch in ausgewählten Kohorten eine gute Prädiktion hinsichtlich postoperativer Ereignisse. Ziel dieser prospektiven Observationsstudie war es, einen präoperatives NT-proBNP über 450 pg/ml hinsichtlich der Prädiktion der postoperativen 30-Tage Morbidität in einer breiten, nicht-herzchirurgischen Kohorte zu evaluieren.
Methodik: Nach Zustimmung der Ethikkommission der Universität Gießen (AZ 263/21) wurden 200 konsekutive Patienten ab 65 Jahre vor einer Operation mit mittlerem oder hohem operativen Risiko gemäß ESC-Leitlinie einer point of care-Messung des NT-proBNP unterzogen. Patienten mit einem NT-proBNP >450 pg/ml wurden mit denen unterhalb dieses Wertes verglichen. Primärer Endpunkt war ein Composite Morbidity Endpoint (CME) aus der Inzidenz jeglicher Rehospitalisationen, kardialer Dekompensationen, akuter Nierenschädigungen und bakterieller Infektionen bis einschließlich des 30. postoperativen Tages. Sekundäre Endpunkte umfassten die Einzelkomponenten des gemeinsamen Endpunkts sowie Krankenhausverweildauern.
Ergebnisse: 199 Patienten wurden in die Analyse eingeschlossen. 70 (35.2%) Patienten hatten ein NT-proBNP >450 pg/ml, obwohl hiervon nur 17 (24.3%) Patienten eine vorbekannte Herzinsuffizienz aufwiesen. Diese Patienten erhielten präoperativ häufiger eine Echokardiographie (37.1% vs. 20.9%, p = 0,021), wobei die linksventrikuläre Ejektionsfraktion vergleichbar war (LVEF ≥50%: 90.9% vs. 95.2%, p = 1.0), sich jedoch der systolische Pulmonalarteriendruck (32 [26 - 39] mmHg vs. 23 [21 - 28] mmHg, p = 0,006), das E/e‘ (11,1 [9.9 - 16.4] vs. 9,8 [8,1 – 11,0], p = 0.029), der linksatriale Volumenindex (47 [37 - 55] vs. 30 [27 - 44], p = 0,017) sowie das Vorliegen einer Mitralklappeninsuffizienz II-III° (30,8% vs. 3,7%, p = 0,011) signifikant unterschieden. Patienten mit NT-proBNP >450 pg/ml erreichten den primären Studienendpunkt signifikant häufiger (70.7% vs. 32.4%, p < 0.001; Abb.). Rehospitalisierungen kardialer Ursache (4.4% vs. 0.0%, p = 0.018), kardiale Dekompensationen (20.1% vs. 4.0%, p < 0.001) und Infektionen (46.3% vs. 24.4%, p < 0.01) traten in dieser Gruppe häufiger auf. Die Patienten mit NT-proBNP oberhalb des Grenzwerts hatten ferner signifikant längere intensivstationäre (1.1 [0.8 – 3.5] d vs. 0.8 [0 – 1.1] d, p < 0.001) und Krankenhaus-Verweildauern (15.0 [7.8 – 21.0] d vs. 8.0 [6.0 – 13.0] d, p < 0.001). Als optimal prädiktiv hinsichtlich des primären Endpunkts wies die post-hoc Receiver-Operating-Characteristic-Analyse ein NT-proBNP von 443 pg/ml aus (AUC 0.68 mit p < 0.001).
Fazit: Mittels NT-proBNP-Messung im Rahmen der präoperativen Evaluation können Patienten mit und ohne vorbekannte Herzinsuffizienz mit hohem postoperativen Morbiditätsrisiko suffizient erkannt werden. Dabei erweist sich der literaturbasierte Wert von 450 pg/ml in unserem chirurgischen Kollektiv als prädiktiv, und vergleichbar zu dem mittels ROC ermitteltem Grenzwert. Anhand dieser Daten ist ein interdisziplinäres und multimodales perioperatives Behandlungskonzept zur Reduktion der postoperativen Morbidität dieser Patienten indiziert und sollte in Interventionsstudien evaluiert werden.

***p < 0,001


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