Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Infektiöse Endokarditis nach isoliertem Aortenklappenersatz: Vergleich zwischen katheterinterventionellem (TAVI) und operativem (AKE) Klappenersatz
I. Ried1, T. K. Rudolph1, S. Scholtz1, S. Bleiziffer2, C. Piper1
1Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie, Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen; 2Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen;

Hintergrund: Die Prothesen-Endokarditis (PIE) stellt die prognostisch ungünstigste Komplikation nach jedwedem Aortenklappenersatz dar. Daten zu Risikofaktoren, Behandlungsstrategien und Outcome sind limitiert.

Methoden: Alle Patienten, die zwischen 01.01.2012 - 31.12.2018 einen primären isolierten Aortenklappenersatz mittels AKE (n = 3.447) oder TAVI (n = 2.269) im HDZ NRW erhalten haben, wurden regelmäßig nachverfolgt und hinsichtlich ihrer Daten und Befunde analysiert. Die Diagnosestellung einer postoperativen PIE erfolgte anhand der 2015 modifizierten DUKE-Kriterien. Inzidenz, Risikofaktoren, pathogene Mikroorganismen, Einfluss von Komplikationen, Erregern und PIE-Therapie auf die Mortalität wurden analysiert und zwischen den beiden Therapiearmen verglichen.

Ergebnisse: Die PIE-Inzidenz unterschied sich nicht signifikant nach AKE mit 4,9 Fällen pro 100 Patientenjahre und TAVI mit 2,4 Fällen pro 100 Patientenjahre (p = 0,49). AKE-PIE-Patienten waren im Mittel 67 Jahre alt und hatten einen mittleren STS-Score von 1,6, während TAVI-PIE-Patienten mit im Mittel 80 Jahren und einem mittleren STS-Score von 5,9 signifikant älter und multimorbider waren (p < 0,001). Insgesamt erwiesen sich das männliche Geschlecht (HR 1,0), neu aufgetretene Rhythmusstörungen (HR 90,0), eine Rethorakotomie (HR 3,1), andere Infektionen im Verlauf (HR 5,6) und periprozedurale Komplikationen (HR 14,9) in beiden Gruppen als Risikofaktoren für eine PIE. AKE-PIE-Patienten mit perioperativ aufgetretenen, therapiebedürftigen Rhythmusstörungen hatten ein 5-fach höheres PIE-Risiko als TAVI-Patienten (HR 5,1; p < 0,001). Häufigste Erreger aller PIEs waren Staphylokokken (AKE: 35 %; TAVI: 50 %) und Enterokokken (AKE: 30 %; TAVI: 40 %) (p > 0,05). Bei AKE und TAVI ging eine Staphylokokken-PIE mit einem 5-fach (HR 5,3), eine Sepsis mit einem 3,4-fach (HR 3,4) und ein Organversagen mit einem 2,7-fach (HR 2,7) höheren Sterblichkeitsrisiko einher. Insgesamt wurde die PIE bei 45 % der TAVI- und 57 % der AKE-Patienten chirurgisch behandelt. TAVI-PIE-Patienten nach Re-AKE überlebten mit im Mittel 9 ± 3 Monaten signifikant kürzer als nach rein medikamentöser Therapie mit im Mittel 36 ± 5 Monaten (p = 0,005). Bei AKE-PIE-Patienten zeigte sich hier kein signifikanter Unterschied im Hinblick auf die Therapie. Die 1-Jahres-Mortalität nach PIE-Diagnose betrug 21,6 % für AKE- und 35 % für TAVI-Patienten (p = 0,274). Im Gegensatz dazu betrug die 1-Jahres-Mortalität nach Klappenimplantation für die Nicht-PIE-Patienten 4,6 % nach AKE und 17,2 % nach TAVI (p < 0,001).

Schlussfolgerung: TAVI-Patienten haben trotz ihres hohen Alters und ihrer größeren Komorbiditäten kein signifikant höheres Endokarditis-Risiko als AKE-Patienten. Nach perioperativ aufgetretenen, therapiebedürftigen Rhythmusstörungen hatten AKE-Patienten ein deutlich höheres PIE-Risiko. Es zeigte sich kein signifikant unterschiedliches Keimspektrum. Staphylokokken verursachen foudroyante Krankheitsverläufe mit hohem Sterblichkeitsrisiko, sodass betroffene Patienten besonders früh operativ behandelt werden sollten. Bei TAVI-PIE-Patienten sollte die Indikation zur operativen Therapie zurückhaltender als bei Patienten mit AKE-PIE gestellt werden, da sie in Folge ihres hohen Alters und ihrer Komorbiditäten ein signifikant höheres Mortalitätsrisiko nach operativer Therapie haben. Zusätzlich gelingt bei TAVI-PIE häufiger eine rein antibiotische Sanierung, mutmaßlich da diese Prothesen kein Polymer besitzen.


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