Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Sauerstoffverfügbarkeit beeinflusst die funktionelle mitochondriale Plastizität im Herzen durch Assemblierung und Disassemblierung der mitochondrialen F1F0-ATPase
J. Heidler1, I. Wittig1, J.-N. Tomczak1, G. Färber2, E. Heyne2, T. Doenst2, D. Henze3, M. Szibor2
1Fachbereich Medizin, Funktionelle Proteomics, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main; 2Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Jena, Jena; 3Praxis für Anästhesiologie, Dr. Henze & Partner GbR, Halle;

Hintergrund: Das Herz deckt seinen hohen Bedarf an ATP, z. B. für die elektromechanische Kopplung, fast ausschließlich durch oxidative Phosphorylierung in Mitochondrien. In einem Mausmodell mit entzündlicher Kardiomyopathie konnten wir zeigen, dass die Verabreichung von Sauerstoff den Verlust von subzellulären Strukturen, insbesondere von Mitochondrien, und die Entwicklung einer kontraktilen Dysfunktion verhindern kann. Wir wollten daher die molekularen Mechanismen untersuchen, die die mitochondrialen Funktionen an die Sauerstoffverfügbarkeit im Herzgewebe anpassen.

Methoden: Hausschweine im Alter von 3 Monaten (~35 kg) wurden für 240 min in Narkose bei Normaldruck (Kontrollen) oder 2,4 bar (HBO) beatmet. Während der Beatmung gab es in allen Gruppen Phasen von Hyperventilation, Hyper- und Hypotonie (je 60 min) sowie in der HBO-Gruppe zweimalig normoxische Unterbrechungen (je 10 min bei 2,4 bar). Nach dieser Intervention isolierten wir mitochondriale Subpopulationen, subsarkolemmale (SSM) und interfibrilläre (IFM) Mitochondrien, aus dem Herzgewebe. Enzymaktivitäten einzelner Atmungskettenkomplexe, der mitochondriale Kalziumgehalt, der pH-Wert der mitochondrialen Matrix und die Zusammensetzung des Atmungskomplexe wurden untersucht.

Ergebnisse: In der IFM-Kontrollgruppe waren die Enzymaktivitäten der Komplexe I, III und IV im Vergleich zu SSM signifikant vermindert. Die Aktivität der F1F0-ATPase lag in der IFM-Kontrollgruppe unterhalb der Nachweisgrenze und konnte deshalb nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Die HBO-Behandlung nivellierte alle Unterschiede in Enzymaktivitäten. Diese Ergebnisse wurden durch katalytische in-Gel-Färbungen mittels blau-nativer (BN)-PAGE bestätigt. Katalytische in-Gel-Färbungen bestätigten auch das Fehlen einer aktiven F1F0-ATPase in der IFM-Kontrollgruppe und deren funktionelle Reaktivierung durch HBO. Eine Komplexomanalyse lieferte Belege dafür, dass die kardiale F1F0-ATPase in der IFM-Kontrollgruppe nur in disassemblierten (inaktiven) Subkomplexen vorlag, sich aber bei erhöhter Sauerstoffverfügbarkeit wieder re-assemblierte. Weiterhin fanden wir, dass in der IFM-Kontrollgruppe der pH-Wert der mitochondrialen Matrix, die mitochondriale Genexpression und die Aktivität des Krebszyklus-Schlüsselenzyms Aconitase signifikant erniedrigt waren.


Fazit:
 Unsere Daten belegen eine ausgeprägte Fähigkeit kardialer Mitochondrien, ihren Stoffwechsel an die Sauerstoffverfügbarkeit anzupassen. Wir stellen die Hypothese auf, dass diese funktionelle Plastizität einen Mechanismus darstellt, um z. B. eine bedarfsgerechte Energieproduktion in Phasen von kardialer Hypoxie zu gewährleisten.


https://dgk.org/kongress_programme/jt2022/aV157.html