Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

COVID-ICD: Eine interdisziplinäre Studie zur Evaluation und Behandlung COVID-19 assoziierter psychischer Belastungen bei Patienten mit Herzinsuffizienz und implantiertem Kardioverter-Defibrillator
L. Spajic1, M. T. Huttelmaier2, O. Maniuc3, T. H. Fischer3, S. Störk1, P. Nordbeck2, S. Frantz2, P. Pauli4, C. Maack1, S. Schulz4
1Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg; 2Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg; 3Med. Klinik und Poliklinik I, Klinische Elektrophysiologie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg; 4Universität Würzburg, Institut für Psychologie I, Würzburg;

Einleitung: Patienten mit Herzinsuffizienz haben ein erhöhtes Risiko einer Coronavirus SARS-CoV2 (COVID-19) Erkrankung. Bereits unter nicht pandemischen Bedingungen haben Patienten mit Herzinsuffizienz und insbesondere Träger eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) erhöhten psychosozialen Stress, Depression und Angst im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Die Studie hat zum Ziel, Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die psychische Belastung von ICD-Patienten und mögliche Prädiktoren zu erfassen. Außerdem soll der Bedarf an Unterstützung sowie die Akzeptanz unterschiedlicher Angebote evaluiert werden.

Methoden:  Die hier berichtete Ersterhebung einer Längsschnittstudie wurde während des Lockdowns der zweiten Pandemiewelle im Frühjahr 2021 durchgeführt. Dabei wurden alle Patienten der ICD-Ambulanz der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Würzburg postalisch kontaktiert. Studienteilnehmer füllten validierte Selbstberichtsfragebogen zu Depressivität, Ängstlichkeit, Coping-Verhalten, und Selbstmanagementfähigkeiten aus. Zusätzlich wurden Informationen zur Lebenssituation sowie COVID-19 bezogenen Sorgen, Ängsten und Problembereichen erfragt. Medizinisch-kardiologische Parameter, die im Rahmen von regulären Kontrolluntersuchungen erfasst werden, wurden aus den Krankenhausakten der Patienten extrahiert. Neben deskriptiven Daten wurden Zusammenhänge in einem AMOS Pfadmodell untersucht. Ausgehend von einem theoretisch motivierten Modell wurde anhand a priori definierter statistischer Algorithmen ein empirisch fundiertes Modell abgeleitet.

Ergebnisse: An 298 Patienten wurden Fragebogenpakete versendet, wovon 255 ausgefüllt zurückkamen. Aufgrund fehlender Daten bei kritischen Variablen wurden N=139 ICD-Patienten in die Analyse eingeschlossen. Ein Screening mit der deutschen Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) wies auf eine erhöhte Belastung durch Angst (32%) und Depressivität (38%, Scores ³8), bzw. klinisch relevante Angst (14%) und Depressivität (13%, Score ³11) im Vergleich zur Gesamtbevölkerung hin. Im empirisch fundierten AMOS Modell sagte die Schwere akuter Belastungsfaktoren psychische Belastung vorher (βDepression=0,20, p<0,05; βÄngstlichkeit=0,16, p<.05). Faktoren, welche diesen Zusammenhang abmildern oder verstärken könnten (Selbstmanagementfähigkeiten, soziale Unterstützung, Copingstrategien) hatten im Modell keinen signifikanten Einfluss. 89% der ICD-Patienten gaben an, Psychotherapie oder ähnliche professionelle Beratung zu benötigen (16% „ziemlich bis sehr“). 45% der Patienten wünschten sich Informationen und Gespräche mit Kardiologen und 42% hausärztliche Beratung. 34% gaben an, dass sie einen oder mehrere Arzttermine wegen COVID-19 verschoben hatten oder ausfallen ließen. Die Studienteilnehmer waren gegenüber beratenden Telefonaten mit psychologischem (56%) oder medizinischem Fachpersonal (84%) deutlich offener als gegenüber Videoanrufen (Psychologe: 31%, Arzt: 42%), Smartphone-Apps (30%) oder PC-Programmen (40%).

Schlussfolgerung: Die subjektive Belastung durch die COVID-19 Pandemie führt bei ICD-Patienten zu einem hohen Maß an Depressivität und Angst. Es besteht dringender medizinischer und vor allem psychologischer Betreuungsbedarf. Unterstützungsangebote sollten am ehesten als telefonische oder persönliche Beratung realisiert werden.


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