Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Geschlechtsspezifische Trends im kardiovaskulären Risikoprofil bei jungen Patienten mit ST-Hebungsinfarkten-Ergebnisse aus einem STEMI-Register
L. A. Mata Marín1, J. Schmucker1, A. Fach1, S. Rühle1, C. Lübben1, T. Retzlaff1, U. Hanses1, H. Kerniss1, R. Hambrecht1, H. Wienbergen1
1Bremer Institut für Herz- und Kreislaufforschung (BIHKF), Bremen;

Hintergrund: Die Bedeutung der kardiovaskulären Risikofaktoren auch bei einer schon früh einsetzenden koronaren Herzkrankheit (KHK) sind Gegenstand aktueller Forschung.  Dabei gibt es wenig Daten zu der Entwicklung von Prävalenzraten von vor allem durch den Lebensstil beeinflussbaren kardiovaskulären Risikofaktoren bei jungen Patienten mit Infarktereignis. Ziel der vorliegenden Studie war, diese Prävalenzraten bei jungen Patienten mit ST-Hebungsinfarkt stratifiziert nach dem Geschlecht zu untersuchen.

Methoden: Alle STEMI-Patienten ≤55 Jahre alt, die zwischen 2006 und 2020 an einem überregionalen Herzzentrum behandelt wurden gingen in die Analyse ein. Zum zeitlichen Vergleich erfolgte eine Einteilung in T1 (2006-2013) und T2 (2014-2020). Die Analyse erfolgte univariat und einem multivariat adjustierten Modell.

Ergebnisse: Von insgesamt 3146 Patienten mit einem mittleren Alter von 48±6 Jahren waren 521 (16,5%) Frauen und 2625 (83,5%) Männer. Junge Frauen mit STEMI im Vergleich zu Männern waren zu einem höheren Anteil adipös (body mass index (BMI) ≥30 kg/m²: 36.1% vs. 30.3%, p<0.01) bzw. sehr adipös (BMI>40 kg/m²: 7.6% vs. 2.9%, p<0.01) sowie zu einem höheren Anteil Diabetiker (16.6% vs. 11.3%, p<0.01). Der Anteil der Raucher unterschied sich nicht (w: 70.6%, m: 70.2%, p: n.s.). Über die Zeit (2014-2020 vs. 2006-2013) zeigte sich bei Frauen ein deutlicher Anstieg in der Prävalenz des Diabetes und der schweren Adipositas, während ein signifikanter Rückgang im Nikotinkonsum festzustellen war. Bei Männern dagegen zeigten sich keine Veränderungen bei den Prävalenzraten von Diabetes, wohl aber ein Rückgang beim Nikotinkonsum. Zwar zeigte sich bei jungen Männern mit STEMI ebenfalls eine Zunahme der schweren Adipositas, jedoch war die Prävalenz gegenüber Frauen deutlich geringer (Tabelle). In einem multivariat adjustierten Modell zeigte sich die Zunahme des Diabetes bei Frauen über die Jahre weiterhin als signifikant (OR 1,78, 95% CI, p=0,021).

Tabelle: Entwicklung der Prävalenzraten 2006-2020

 

Diabetes

Adipositas

Schwere Adipositas

Nikotin-konsum

 

M

W

M

W

M

W

M

W

T1 (2006-2013) (%)

10.9

12.3

27.4

33.4

2.0

5.5

74.9

77.6

T2 (2014-2020) (%)

11.7

23.4

33.6

39.8

3.7

11.2

65.7

61.9

P

n.s.

<0.01

<0.01

<0.01

<0.01

<0.01

<0.01

<0.01

 

Zusammenfassung: Über die letzten 15 Jahre zeigt sich bei jüngeren Frauen mit STEMI eine deutliche Zunahme von Diabetes und Adipositas, während ein Rückgang beim Nikotinkonsum zu beobachten ist. Bei Männern zeigt sich ebenfalls ein Rückgang beim Nikotinabusus, jedoch sind die Prävalenzraten von Diabetes konstant. Eine Wandlung im kardiovaskulären Risikoprofil zeigt sich somit insbesondere bei jungen weiblichen STEMI-Patienten, welches die Notwendigkeit intensivierter Maßnahmen in der Primärprävention für diese Bevölkerungsgruppe unterstreicht.

https://dgk.org/kongress_programme/jt2022/aP2017.html