Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Assoziation von Luftschadstoffkonzentrationen und wetterabhängiger Variablen mit der Inzidenz des akuten Myokardinfarktes in Berlin. Eine Studie des Berlin-Brandenburger Herzinfarktregisters (B2HIR)
I. de Buhr-Stockburger1, L. Bruch2, H. Dreger3, J. Ebbinghaus4, A. Fried1, B. Maier1, J.-U. Röhnisch5, H. Schühlen6, M. Stockburger7, H. Theres8, für die Studiengruppe: B2HIR
1Berlin-Brandenburger Herzinfarktregister, Berlin; 2Klinik f. Innere Medizin / Kardiologie, Unfallkrankenhaus Berlin, Berlin; 3CC11: Med. Klinik m. S. Kardiologie und Angiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin; 4Klinik für Innere Medizin - Kardiologie und konservative Intensivmedizin, Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin; 5Klinik für Innere Medizin und Kardiologie, Vivantes-Klinikum Kaulsdorf, Berlin; 6Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin; 7Medizinische Klinik I / Kardiologie, Havelland Kliniken GmbH, Nauen; 8Klinik für Kardiologie, Evangelisches Krankenhaus Hubertus, Berlin;

Hintergrund:
Über die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Gesundheit wird seit langem diskutiert. Assoziationen zwischen Atemwegserkrankungen und Luftschadstoffkonzentrationen wurden bereits in vielen Arbeiten gefunden. In den letzten Jahren ließen Studien auch eine Assoziation zwischen kardialen Erkrankungen und Luftverschmutzung vermuten. Von Bedeutung sind in Deutschland heute vor allem Luftschadstoffe, die im Rahmen des Straßenverkehrs sowie in Heiz- und Industrieanlagen entstehen. Dies sind überwiegend Stickoxide (NOx) und Feinstaubpartikel.
Die vorliegende Studie untersucht die Assoziation zwischen den Luftschadstoffen NOx und Feinstaub sowie Wettereinflüssen mit dem Eintreten eines akuten Herzinfarktes in Berlin.

Methodik
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Das Berlin-Brandenburger Herzinfarktregister (B2HIR) dokumentiert die Versorgung von Patienten mit akutem Herzinfarkt. Dabei werden unter anderem der genaue Zeitpunkt des Symptombeginns, die Art des Infarktes (STEMI oder NSTEMI) und vorbestehende Risikofaktoren wie Raucherstatus oder Diabetes mellitus mitgeteilt. Von 2008 – 2014 (Studienzeitraum) war die Anzahl einschließender Berliner Kliniken als Basis der Grundgesamtheit der Erhebung weitgehend konstant. Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz stellt Messdaten des Berliner Luftgüte-Messnetzes (BLUME) öffentlich zur Verfügung. Das BLUME-Netzwerk erfasst lokale Tageskonzentrationen von NOX und Feinstaubpartikeln (PM10). Basierend auf den Messdaten des BLUME-Messnetzes wurden Tageswerte für NOX und Feinstaubpartikeln (PM10) zusammengefasst und auch bezogen auf Stationsgruppen (Innenstadt, Hauptverkehrsstraßen und Außenbezirke) gemittelt. Tageswerte sowie Vortageswerte (einzeln und über drei Vortage gemittelt) wurden jedem Datum zugeordnet. Zusätzlich wurden tägliche Wetterdaten der Wetterstation Berlin-Tempelhof erfasst. Die Herzinfarktinzidenz der B2HIR-Daten des Studienzeitraums wurde jedem Datum zugeordnet und zusätzlich mit Patientencharakteristika verknüpft. Mittels bivariaten Korrelationen und Poisson-Regression wurde die Assoziation zwischen auftretenden Herzinfarkten, Wetterdaten und Luftschadstoffen untersucht.

Ergebnisse:

Es konnten 17873 Herzinfarktereignisse berücksichtigt werden. Es fand sich eine hoch signifikante Assoziation der Herzinfarktinzidenz mit tagesgleichen NOx-Luftkonzentrationen (p<0,001) und dem gleitenden Dreivortagesmittelwert der PM10-Konzentration (p<0,001). Bezogen auf den Quartilsabstand dieser Variablen ergab sich eine Variation der Herzinfarktinzidenz mit NOx um 3,2% und mit den gemittelten Vortageswerten von PM10 um 4,8%. Die Tageshöchsttemperatur war signifikant invers mit Herzinfarkten assoziiert (p<0,001). Die Herzinfarktinzidenz der Raucher war durch Luftschadstoffe unbeeinflusst.

Schlussfolgerung
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In dieser Arbeit wird für Berlin erstmals eine signifikante Assoziation der Luftschadstoffe NOx und PM10 mit Herzinfarkten nachgewiesen. Die Infarktinzidenz variierte mit diesen Variablen im einstelligen Prozentbereich. Dass es sich dabei wahrscheinlich um einen kausalen Zusammenhang handelt, wird aus dem Fehlen der Assoziation bei den sich laufend selbst unter anderem mit Feinstaub und NOx belastenden Rauchern deutlich.


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