Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Interessenkonflikte von Autoren der Vorhofflimmer-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) im Vergleich von 2010 bis 2020
B. Schneider1, C. Stöllberger2
1Sana-Kliniken Lübeck GmbH, Lübeck; 2II. Medizinische Abteilung, Klinik Landstraße, Wien, AT;

Hintergrund und Ziel: Interessenkonflikte (IK) werden definiert als Situationen, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse bezieht, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst wird. Ein IK tritt auf, wenn materielle oder soziale Vorteile in einer Spannung zu primären medizinisch-ethischen Zielen stehen. Auch Autoren der Leitlinien werden verpflichtet, ihre IK anzugeben. Das Institute of Medicine (IOM) in Washington hat 2009 Standards für den Umgang mit IK bei der Erstellung von Leitlinien herausgegeben. Nach den Empfehlungen des IOM soll nur eine Minderheit der Mitglieder der Leitlinienkommission IK haben und der Vorsitzende keinen IK. Leitlinien-Ersteller sollen nur bei solchen Themen stimmberechtigt sein, bei denen sie keinen IK haben.

Ziel unserer Analyse war es, die 2020 publizierten Leitlinien der ESC zum Vorhofflimmern im Hinblick auf die IK der Autoren zu untersuchen und mit den vorausgegangenen Leitlinien zu vergleichen.

Methode: Die IK-Erklärungen der Autoren der 2020 erschienenen und der korrespondierenden früheren Leitlinien von 2010 und 2016 wurden auf der Homepage der ESC gesucht und ausgewertet.

Ergebnisse: IK-Erklärungen der Vorhofflimmer-Leitlinie 2020 wurden auf der ESC Homepage gefunden. Die IK-Erklärungen früherer Leitlinien sind von der ESC Website eliminiert und wurden von der ESC auch nicht mehr zur Verfügung gestellt, lagen aber in ausgedruckter Form für 2010 und 2016 vor.

Von den 17 Autoren der Vorhofflimmer-Leitlinien 2016 gaben 14 (82%) einen IK an, nur 3 Autoren (18%) hatten keinen IK. Der Vorsitzende der Leitlinien Task Force hatte die zweitmeisten IK (n=30). Die Anzahl der IK lag im Mittel bei 13,0±10,4 (range 1-32), davon hatten 14/17 Autoren (82%) persönliche Zahlungen und 10/17 Autoren (59%) ein Research Funding für die Abteilung erhalten. Gegenüber den Vorhofflimmer-Leitlinien aus dem Jahr 2010 hatten sowohl der Anteil von Autoren mit IK (von 68% auf 82%) als auch die Anzahl der IK pro Autor (von 8,7±10,2 auf 13,0±10,4) zugenommen, außerdem hatte sich der Anteil von Autoren mit Erhalt persönlicher Zahlungen (von 60% auf 82%) und die Anzahl von IK infolge persönlicher Zahlungen (von 5,9±7,3 auf 7,7±7,4 pro Autor) erhöht.

Bei den aktuellen Vorhofflimmer-Leitlinien von 2020 gaben 21/24 Autoren (87,5%) einen IK an, insgesamt betrug die Anzahl der IK pro Autor 6,7±4,5 (range 1-20), der Vorsitzende der Leitlinien Task Force gab 5 IK an. Direkte persönliche Zahlungen haben 18/24 (75%) der Autoren erhalten, wobei die Anzahl der IK infolge persönlicher Zahlungen mit 4,1±3,1 rückläufig ist. Ein Research Funding für die Abteilung gaben unverändert 13/24 (56%) der Autoren an.  

Konklusion: Entgegen den Empfehlungen des IOM aus dem Jahr 2009 hat bei den Vorhofflimmer-Leitlinien der ESC der Anteil von Autoren mit IK im Verlauf kontinuierlich zugenommen und liegt 2020 bei 87,5%. Insgesamt hatten 75% der aktuellen Leitlinienautoren persönliche Zahlungen erhalten. Um eine unangemessene Beeinflussung der Leitlinien zu vermeiden, sollte den IK und einem verantwortlichen Umgang mit ihnen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Da es einen großen Bedarf an Leitlinien gibt, denen wir vertrauen können, sollte die ESC bei der Leitlinien - Erstellung den Empfehlungen des IOM folgen.


https://dgk.org/kongress_programme/jt2022/aP1913.html