Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02002-5

Verordnungsverhalten und Zielwerterreichung bei schwer einstellbaren Risikopatienten mit Hyperlipidämie in einer spezialisierten Lipidambulanz
M. Fischer1, M. Hamerle2, S. Rendl2, C. Strack2, J. Zeller2, G. Hauptmann2, D. O. Sander2, K. Fuss2, U. Hubauer2, L. S. Maier2, A. Baessler2
1Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Goldberg-Klinik Kelheim GmbH, Kelheim; 2Klinik und Poliklinik für Innere Med. II, Kardiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg;

Einleitung: Studien- und Registerdaten zeigen eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen Leitlinien-Empfehlungen und klinischer Praxis in Europa. Die 2019 aktualisierte ESC/EAS Leitlinie empfiehlt zur Prognoseverbesserung für Pat. mit hohem bzw. sehr hohem Risiko eine Senkung des LDL-C auf Zielwerte <70 bzw. <55mg/dl. Obwohl die LDL-Senkung durch zahlreiche Endpunktstudien abgedeckt ist, Statine hocheffektiv sind und mehrere Nicht-Statine als Lipidsenker zur Verfügung stehen, erreichen nur 30-40% der Hochrisiko-Patienten ein Ziel-LDL-C <70 mg/dl (und noch weniger das Ziel <55 mg/dl). Nachweislich werden Kombinationstherapien im klinischen Alltag nur unzureichend eingesetzt.

Wir untersuchten das Verordnungsverhalten und den Therapieerfolg in einer spezialisierten Lipidambulanz bei Hochrisiko-Pat., die gezielt aufgrund von hohen Lipid-Ausgangswerten und/oder Medikamenten-Intoleranz überwiesen wurden.

Methoden und Ergebnisse: Von 710 Pat. (59% m, 55±15 Jahre) hatten 73% eine reine Hypercholesterinämie, 27% eine gemischte Dyslipidämie und 9% eine familiäre Hypercholesterinämie (FH). Das LDL-C bei Erstvorstellung betrug im Mittel 189±74 mg/dl. Eine Statinunverträglichkeit lag anamnestisch bei 307 (43%), mit erhöhten CK-Werten bei 49 (7%) der Pat. vor. Das LDL-C sank im Verlauf auf 119±53 (1. Wiedervorstellung, WV), auf 85±46 mg/dl (2.WV), und bisweilen zuletzt auf 72±37 mg/dl (p<0.001). Während sich bei Erstvorstellung praktisch keiner (<1%) der zugewiesenen Pat. im ESC/EAS LDL-C Zielbereich befand, erreichten 27% nach der 1. WV und nach der bisweilen letzten Vorstellung 48% der Pat. den LDL-C Zielbereich (57% waren jedoch im oder annähernd im Zielbereich (jeweils max. 5 mg/dl vom Ziel entfernt). Eine mind. 50%ige LDL-C Reduktion erreichten zuletzt 74%. Hierzu wurde die bei Erstvorstellung vorhandene lipidsenkende Therapie deutlich intensiviert und vermehrt Kombinationstherapien verordnet (Abb.). 

Zusammenfassung: Trotz aggressiver Therapiekonzepte, einschliesslich verfügbarer Kombinationstherapien, besteht immer noch Verbesserungspotential bzgl. der lipidsenkenden Therapie unserer Patienten.  Neue Lipidsenker erweitern das therapeutische Arsenal für die kardiovaskuläre Prävention und stellen zusätzliche Therapieoptionen dar, um das LDL-Cholesterin in günstigere Bereiche zu senken. Zur Verbesserung der lipidsenkenden Therapie sollten Kombinationstherapien zum Einsatz kommen, um der Diskrepanz zwischen Leitlininen und Praxis entgegenzuwirken. Zur Zielwerterreichung sind wiederholte Kontrollen sowie eine längerfristige Betreuung der Pat. erforderlich.


https://dgk.org/kongress_programme/jt2022/aP1146.html