Clin Res Cardiol 108, Suppl 1, April 2019

MBL-Defizienz: ein kardiovaskulärer Risikofaktor? Generalisierte Atherosklerose bei einem Patienten mit MBL-Defizienz
P. Steinbauer1, T. Schuh1, C. Stöllberger1
1II. Medizinische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien, AT;
Hintergrund
Das Mannose-bindende Lektin (MBL) ist, als initialer Faktor des Lektinweges, ein Bestandteil des Komplementsystems. Ein MBL-Mangel ist nicht nur mit rezidivierenden Infektionen assoziiert, sondern scheint auch eine Bedeutung in der Genese von kardiovaskulären Erkrankungen zu haben.
Die Atherosklerose ist eine inflammatorische Erkrankung, bei deren Genese das angeborene Immunsystem eine große Rolle spielt. Das MBL als Teil des angeborenen Immunsystems scheint einen protektiven Effekt auf die Entwicklung einer Atherosklerose zu haben.
 
Anamnese
Ein 78-jähriger Mann wurde wegen Dyspnoe, Husten mit schwarzem Auswurf sowie Fieber bis 39,5°C aufgenommen. Wegen rezidivierender atypischer Pneumonien seit 3 Jahren war der Patient 3 Monate vor Aufnahme im niedergelassenen Bereich auf einen Immundefekt untersucht worden. In einer genetischen Untersuchung wurde eine komplette MBL-Defizienz festgestellt.
Bei dem Patienten sind über 50 Krankenhausaufenthalte erhebbar. Darunter ein im Alter von 52 Jahren stattgefundener Myokardinfarkt, eine progrediente generalisierte Atherosklerose (Vgl. Abbildung 1) und eine Osteomyelitis nach einem Trauma, welche zu einer Unterschenkelamputation im Alter von 56 Jahren führte. Risikofaktoren sind ein Diabetes mellitus Typ 2, bekannt seit 1997, und ein seit 25 Jahren sistierter Nikotinabusus (15 pack years). Die Familienanamnese war negativ.
 
Therapie und Verlauf
Das Thoraxröntgen zeigte den Verdacht auf ein retrocardiales Infiltrat links. Dieser Befund konnte in einer nachfolgenden Thorax CT, welche pneumonische Infiltrate in beiden Unterlappen und am basalen Oberlappen links zeigte, bestätigt werden. In der Sputum Kultur wuchsen Klebsiella pneumoniae, sensibel auf Piperacillin/Tazobactam. Nach dem Beginn der Antibiotikatherapie besserte sich die Atemnot, die Entzündungswerte sanken und das Infiltrat bildete sich zurück. Eine Abdomen CT zeigte multiple corticale Nierenzysten,  eine hochgradige Aortensklerose und atherosklerotischen Veränderungen in den Nierenarterien und Iliacalarterien.
Wegen niedriger arterieller Sauerstoffsättigungen wurde die Indikation für eine Heimsauerstofftherapie mit 2l pro Minute gestellt, mit der er nach 27 Tagen entlassen wurde.

Folgerung
Die MBL-Defizienz ist vermutlich die Ursache für die rezidivierenden Infekte und die generalisierte Atherosklerose. Durch den MBL Mangel wird der Abtransport atherogener Faktoren verhindert und die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Atherosklerose erhöht.
Die MBL-Defizienz ist die häufigste kongenitale komplementassoziierte Erkrankung in der kaukasischen Bevölkerung mit einer Häufigkeit von 10%-22%. Durch die oftmals späte Diagnosestellung ist die Atherosklerose, wie im vorgestellten Patienten, oftmals schon weit fortgeschritten. Substitutionsbehandlungen mit rekombinantem oder aus dem Plasma angereichertem MBL befinden sich derzeit in klinischer Erprobung.
Anhand dieses Falls soll veranschaulicht werden, dass bei rezidivierenden Infekten an eine MBL-Defizienz gedacht werden soll. Da die MBL-Defizienz, neben den klassischen Risikofaktoren, vermutlich auch einen Einfluss auf die Genese der Atherosklerose hat, ist es wichtig, die Diagnose möglichst früh zu stellen.



Abbildung 1. Chronologie der rezidivierenden Infekte und der progredienten Atherosklerose (1/2)


Abbildung 1. Chronologie der rezidivierenden Infekte und der progredienten Atherosklerose (2/2)

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