Clin Res Cardiol 108, Suppl 1, April 2019

Klinische Charakterisierung von 64 Patienten mit Stress-induzierter, polymorpher Kammertachykardie (CPVT)
M. Abrahams Hurtado1, E. Schulze-Bahr1, S. Dittmann1, B. Stallmeyer1, I. Tuleta1
1Institut für Genetik von Herzerkrankungen (IfGH), Universitätsklinikum Münster, Münster;
Die katecholaminerge, polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT) ist eine seltene Arrhythmieform (1: 10.000), die meist in strukturell unauffälligem Herzen (Kardio-MRT, TTE) auftritt. Ursächlich sind meist nicht-synonyme Genmutationen im RYR2-Gen,  die pathophysiologisch zu einem diastolischen Calcium-Freisetzungsleak im sarkoplasmatischen Retikulum und zu späten Nachdepolarisationen führen. Das Ruhe-EKG von CPVT ist meist unauffällig; unter adrenergem Einfluß (Herzfrequenzerhöhung)  kommt es zu ventrikulären Extraschlägen und (anhaltenden/nicht-anhaltenden) Kammertachykardien (VT) (bidirektional oder polymorph) bzw. klinisch zu belastungsinduzierten Synkopen oder Kammerflimmern (VF/SCA), ggf. auch zum plötzlichen Herztod (SCD).
In dieser retrospektiven Studie wurden 64 Patienten (n=44 männlich; n=20 weiblich) mit klinisch und/oder genetisch gesicherter CPVT eingeschlossen. In 44 Fällen (69%) wurde eine nicht-synonyme RYR2-Genmutation nach Stufendiagnostik identifiziert, wohingegen in 18 Fällen (31%) nach Stufendiagnostik keine Mutation festgestellt werden konnte. Die Analyse deckt die Hotspots von RYR2 (2,516 von 4,967 Aminosäuren) ab. Es wurden insgesamt 33 verschiedene Mutationen, davon 20 bisher nicht publizierte Mutationen, identifiziert. 
Zunächst wurde die Klinik der Patienten mit besonderem Augenmerk auf Symptombeginn und Auftreten eines überlebten plötzlichen Herztodes (SCA) erhoben. Darüber hinaus wurden Belastungs-EKG vor Beginn der Medikation mit Hinblick auf das Verhalten der Extrasystolien (Herzfrequenz, Ankopplungsintervall (RR‘) und Ankopplungsintervall Herzfrequenz-adaptiert (RR‘ in Prozent)) ausgewertet. Im nächsten Schritt wurde die Klinik der CPVT-Patienten mit eben jenen Belastungs-EKG-Parametern verglichen.
Als Erstsymptom trat in 22% Kammerflimmern bzw. SCA auf, in 52% der Fälle eine belastungsinduzierte Synkope. Das mediane Alter bei Auftreten des Erstsymptoms bei CPVT-Patienten lag median bei ca. 18 Jahren (SCA: 19 Jahre, Synkope: 16 Jahre). Generell sind 65% der Männer und 34% der Frauen im Verlauf von einem SCA betroffen (p (einseitig) = 0,0021). 60% der Patienten erlitten zwei oder mehr Symptome. Der Ereignistrigger war in 40% rein physischer Natur. Bei 20% der Patienten war der Verlauf asymptomatisch.
Die Ruhe-EKG waren meist unauffällig (mediane Herzfrequenz: 63/min; kein Unterschied in QTc-Intervall, QRS-Breite, etc.), jedoch hatten 78% der CPVT-Pat. U-Wellen. Die mediane Herzfrequenz beim Auftreten der VES (Morphologie: 11% LSB-ST) war bei CPVT-Patienten mit VF/SCA 122/min, bei CPVT-Patienten mit Synkope 108/min (p = 0,340). Das mediane Ankopplungsintervall QRS-VES (RR‘) für die erste unter Belastung auftretende VES war bei Patienten mit SCA 430 ms (RR‘/Herzfrequenz: 96%), bei denen ohne SCA 445 ms (RR‘/HF: 88%) lang und unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen (RR‘: p = 0,773; RR‘/HF: p = 0,099).
Schlussfolgerungen
Patienten mit einer CPVT haben zumeist (ca. 69%) Genmutationen in typischen Bereichen des RYR2-Gens; die genetische Information ist für eine Heterozygotendiagnostik und Primärerkennung weiterer Betroffener in einer Familie nützlich, da u.U. eine hohe Rate an SCA als Primärmanifestation auftritt. Männliche CPVT-Patienten erleiden relevant häufiger einen überlebten plötzlichen Herztod als Frauen. EKG-Parameter sind derzeit nicht geeignet, Hochrisiko-Patienten mit CPVT zu erkennen, so dass eine frühzeitige antiarrhythmische Therapie und Life Style-Modifikation klinisch im Vordergrund stehen.

https://www.abstractserver.com/dgk2019/jt/abstracts//P1186.htm