Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02302-4

Der Einfluss des Geschlechts auf das kardiovaskuläre Profil bei Menschen mit Prädiabetes und Diabetes mellitus Typ 2
V. Schmitt1, J. Prochaska2, A. Schulz2, O. Hahad1, K. Keller1, L. Hobohm1, S.-O. Tröbs2, T. Koeck2, M. Michal3, A. Schuster4, M. Müller-Nurasyid5, K. Lackner6, T. Münzel1, P. S. Wild2
1Kardiologie 1, Zentrum für Kardiologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz; 2Präventive Kardiologie und Medizinische Prävention, Zentrum für Kardiologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz; 3Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz; 4Augenklinik und Poliklinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz; 5Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz; 6Institut für Klinische Chemie and Laboratoriumsmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz;

Einleitung: Prädiabetes und Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) stellen eine weltweite Epidemie mit steigender Prävalenz dar. Es gibt Hinweise auf Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der klinischen Auswirkung beider Entitäten. Insbesondere im Hinblick auf den Prädiabetes sind hierzu allerdings bislang nur wenige Studien vorhanden. In der vorliegenden Studie wurden die Prävalenz des Prädiabetes und des DM2 sowie der damit einhergehende asymptomatische Organschaden (asymptomatic organ damage, AOD), die Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen (cardiovascular disease, CVD) sowie der Einfluss auf das 10-Jahresrisiko für CVD und die Mortalität in der Allgemeinbevölkerung zwischen Frauen und Männern verglichen.

Methoden: Die Kohorte der Gutenberg Gesundheitsstudie (15010 Teilnehmer im Alter von 35-74 Jahren) wurde hinsichtlich des Geschlechts und des Glukosestatus (Euglykämie, Prädiabetes, DM2) basierend auf klinischen Daten und des HbA1c stratifiziert. CVD umfassten die koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Apoplex oder transiente ischämische Attacke, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und periphere arterielle Verschlusskrankheit. AOD wurde bei Personen ohne prävalenter CVD erfasst als Indikator für eine frühe, subklinische CVD entsprechend aktueller Leitlinien und inkludierte linksventrikulären Masseindex, Intima-Media Breite und Plaque der Carotis, Knöchel-Arm-Index und Nierenfunktion. Das 10-Jahresrisiko für eine CVD wurde mittels Framingham Score ermittelt. Mittels strukturiertem Follow-Up wurde der klinische Verlauf dokumentiert.

Ergebnisse: Von 14870 eingeschlossen Personen (7352 Frauen, 7518 Männer) zeigte sich bei 4784 (65,1%) Frauen und 4642 (61,7%) Männern eine Euglykämie, bei 2065 (28,1%) Frauen und 2063 (27,4%) Männern ein Prädiabetes und bei 503 (6,8%) Frauen und 813 (10,8%) Männern ein DM2. Mit Ausnahme von Übergewicht war die Prävalenz der kardiovaskulären Risikofaktoren bei Männern höher als bei Frauen. In der Allgemeinbevölkerung war das weibliche Geschlecht mit einem geringeren Risiko für AOD (Prävalenz Ratio (PR) 0,92, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,89-0,94, P<0,0001) und CVD (PR 0,65, 95%KI 0,59-0,71, P<0,0001) assoziiert. Das 10-Jahresrisiko für CVD war nach Adjustierung für kardiovaskuläre Risikofaktoren inklusive DM2 sowie für Prädiabetes in allen Gruppen bei Männern etwa doppelt so hoch wie bei Frauen (Euglykämie: Frauen 6,8±6,2% vs. Männer 14,9±11,3%, Prädiabetes: Frauen 11,6±7,8% vs. Männer 21,6±12,6%, DM2: Frauen 24,7±12,9% vs. Männer 42,6±17,9%). Das weibliche Geschlecht war zudem mit einer geringeren Mortalität vergesellschaftet (Hazard Ratio 0,58, 95%KI 0,51-0,66, P<0,0001).

Schlussfolgerungen: In der Allgemeinbevölkerung waren Euglykämie und Prädiabetes häufiger bei Frauen prävalent, während Männer eine höhere Prävalenz von DM2 aufwiesen. Es zeigten sich merkliche Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern in Bezug auf das Gesundheitsrisiko mit einem geringeren Risiko bei Frauen. Allerdings unterstreichen die hohe Prävalenz des den betroffenen Personen meist unbekannten Prädiabetes in der Allgemeinbevölkerung sowie die hohe und weltweit steigende Prävalenz des DM2 die Notwendigkeit der besseren Prävention und frühen Diagnosestellung eines gestörten Glukosestoffwechsels.  Die Untersuchung geschlechtsspezifischer Unterschiede kann zum besseren Verständnis der Pathophysiologie sowie zur Optimierung von Präventionsprogrammen und Therapiekonzepten durch eine vermehrte Individualisierung der Therapie entscheidend beitragen.

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