Clin Res Cardiol (2023). https://doi.org/10.1007/s00392-023-02302-4

Optimierung der Pflegeübergaben in der Kardiologie: Inhalt und Struktur im Fokus
O. Deckwart1, P. Zuppke1, K. Dackermann1, T. Keggenhoff1, D. Martens1, M. Hauenstein1, G. Maas1
1Zentrum für Kardiologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz;
Hintergrund und Motivation
Die effektive Informationsweitergabe zwischen Pflegefachpersonen spielt eine entscheidende Rolle für den Behandlungs- und Pflegeerfolg sowie die Patientensicherheit. Sie erfolgt regelmäßig während der Übergabe beim Schichtwechsel. Jedoch stellen flexible Arbeitszeitmodelle, unterschiedliche Sprachkompetenzen und Berufserfahrungen eine wachsende Herausforderung dar. Daher wurde im Jahr 2022 ein Projekt initiiert, um den pflegerischen Informationsfluss zu verbessern und die Kommunikationsstruktur zu optimieren.

Beschreibung des Projekts
Das Projekt orientiert sich am 3-Phasen-Modell von Lewin für Veränderungsprozesse. In der ersten Phase (Unfreezing/Auflockern) wurden pflegerische Übergaben teilnehmend beobachtet und alle Pflegenden (n=199) der kardiologischen Stationen schriftlich zur Übergabesituation befragt. Bei 66% Rücklaufquote zeigten sich deutliche Unterschiede hinsichtlich sprachlicher Kompetenzen, Inhalte und Strukturierung der Übergaben. Pflegende äußerten zudem den Wunsch nach mehr Struktur und Standardisierung (20%) sowie Fokussierung auf pflegerelevante Inhalte (41%). In der zweiten Phase (Changing/Verändern) wurde nach Prüfung und Vergleich international etablierter Übergabekonzepte das SBAR- Konzept ausgewählt, das Informationen in vier Stufen (Situation, Background, Assessment, Recommendation) strukturiert. Diese wurden um die Stufe I (Identifikation) erweitert und mit spezifischen pflegerischen Inhalten für die Kardiologie konkretisiert. Nach orientierenden Tests mit dem ISBAR-Konzept erhielt das Pflegepersonal Schulungen in Kleingruppen zur Anwendung des Konzepts und effektiver Kommunikation. In der aktuellen dritten Phase (Refreezing/Stabilisieren) werden pflegerische Übergaben begleitet, und die Pflegenden erhalten durch kollegiale Beratung und Feedback Unterstützung bei der Anwendung des Übergabekonzepts. Die Erfahrungen aus der praktischen Anwendung im Pflegealltag dienen der kontinuierlichen Optimierung des Konzepts, um Praktikabilität und Nutzerfreundlichkeit weiter zu verbessern.

Förderfaktoren und Hürden
Die erfolgreiche Einführung des strukturierten Übergabekonzepts erfordert die Motivation aller Beteiligten und die Bereitschaft zur Veränderung etablierter Arbeitsabläufe. Zum Überwinden von Teamwiderständen sind Informationen, Schulungen sowie Geduld und Verständnis erforderlich, um die erfolgreiche Einführung sicherzustellen. Erste Qualitätsverbesserungen der Übergabe werden schnell wahrgenommen und motivieren die Pflegenden, anfängliche Unsicherheiten und Widerstände zu überwinden. Die Unterstützung und Vorbildwirkung des Managements sind entscheidend, um Zeitressourcen für Schulungen und Gespräche bereitzustellen und Orientierungshilfe zu bieten. Zusätzlich trägt die Integration des SBAR- Konzepts in den Lehrplan der Pflegeausbildung und des Medizinstudiums zur Förderung bei.

Ausblick
Nach der erfolgreichen Einführung und Evaluation des Übergabekonzepts in der Kardiologie wird die Übertragung auf andere Klinikbereiche und Berufsgruppen diskutiert und geprüft. Außerdem werden beim HealthCare Hackathon, einer Konferenz für Soft- und Hardware- Entwickler im Gesundheitsbereich, gemeinsam mit IT-Spezialisten Potenziale digitaler Unterstützung für die pflegerische Übergabe sondiert.

https://dgk.org/kongress_programme/ht2023/aP588.html