Clin Res Cardiol (2022). https://doi.org/10.1007/s00392-022-02087-y

Covid-19 Pandemie - Auswirkungen auf das Verhalten von Patientinnen und Patienten mit schweren Herzkrankheiten
U. Wilkenshoff1, N. Buchmann1, A. Heuberger1, D. Leistner1, U. Landmesser1, U. Seeland2
1CC 11: Med. Klinik für Kardiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin; 2Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie u. Gesundheitsökonomie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin;

Hintergrund:
Es ist bekannt, dass Patient*innen mit Herzkrankheiten aus Angst vor Ansteckung und reduzierten Krankenhauskapazitäten während der Covid-19-Pandemie nur zögerlich die notwendige medizinische Hilfe in Anspruch nahmen. Daten über Veränderungen in diesem Verhalten von Frauen (F) und Männern (M) mit schweren Herzerkrankungen könnten nützlich sein für zukünftige Strategie-Entwicklungen während eines notwendigen Lockdowns.

Methode:
Retrospektive Analyse von 728 Datensätzen, die von März 2019 bis März 2021 in einer deutschen kardiologischen Abteilung im Herz Team Meeting (HTM) erhoben wurden. Die Kontaktbeschränkung ("Lockdown" ld) begann am 22. März 2020. Patient*innen, die im Jahr vor dem Lockdown in den HTMs vorgestellt wurden, werden mit denen verglichen, die im Jahr während des Lockdowns vorgestellt wurden. Die Daten wurden im Hinblick auf Anzahl, Alter, Geschlecht, Art der Herzerkrankung und empfohlene Verfahren ausgewertet.

Ergebnisse:
Für 728 Patient*innen (38 % F; Alter 76 ± 10, M 73 ± 11 Jahre) waren vollständige Daten verfügbar. Nach März 2020 wurden 24 % weniger Patient*innen mit schweren Herzerkrankungen besprochen. Die Art der Herzerkrankungen, die in den HTMs vorgestellt wurden, waren in 39.3 % (n= 286) aller Fälle Aortenklappenstenosen (F= 110 < M= 176; vor ld: F= 53 < M= 97, im Ld w F 57 < M= 79), 22.5 % (n= 164) koronare Herzkrankheiten (KHK; F= 42 < M= 122; vor ld F= 21 < M= 62; im Ld F= 21 < M= 60; n. s.) und 22.1% (n= 161) Mitralklappeninsuffizienzen (F= 82 > M= 79; vor ld: F= 45, M= 45; im ld F= 37, M= 34; n.s.) Während des lds wurden interventionelle Verfahren (PCI) signifikant häufiger bei F angewendet als vor dem ld verglichen mit koronaren Bypass-Operationen (p=0.043). Auf Männer traf das nicht zu.

Schlussfolgerung:
Bei den Heart-Team-Meetings wurden vor dem Lockdown weniger Frauen (38 %) vs. Männer (62 %) mit schweren Herzerkrankungen besprochen. Während des Lockdowns ging die Anzahl der Patient*innen um 24 % zurück. Die Daten zeigen, dass unter diesen "fehlenden" Patienten die Zahl der Männer doppelt so hoch war wie die der Frauen. Der stärkste Rückgang während des Lockdowns wurde bei Männern mit Aortenklappenstenose beobachtet, gefolgt von beiden Geschlechtern mit Mitralklappeninsuffizienz. Die Anzahl der Frauen und Männer, die mit einer kardiovaskulären Erkrankung vorgestellt wurden, unterschied sich vor und während des Lockdowns nicht, jedoch waren die empfohlenen Verfahren signifikant unterschiedlich, mit mehr PCIs und entsprechend weniger CABG-Empfehlungen bei Frauen, aber nicht bei Männern. 


https://dgk.org/kongress_programme/ht2022/aP752.html