Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Audiovisuelle Ablenkung zur Stress-/Angstreduktion bei Patienten während Koronarangiographien: Einsatz der HappyMed-Brille
E. Rafflenbeul1, S. Reuleke1, F. Hennersdorf1
1Kardiologie, Schön Klinik Hamburg Eilbek, Hamburg;

Einleitung

Angst- und Stressniveau bei Patienten vor und während invasiven Eingriffen spielen psychologisch und somatisch eine bedeutsame Rolle für Patienten. So konnte gezeigt werden, dass ein erhöhtes Stresslevel vor Koronarangiographien mit Transradialiszugang zu einer erhöhten Rate an Gefäßspasmen führt.

Mehrere Studien aus der Anästhesiologie konnten einen Zusammenhang zwischen positiver audiovisueller Ablenkung und geringerem Stress- und Schmerzempfinden nachweisen.

 

Die HappyMedBrille wurde hierzu speziell für die Anwendung im medizinischen Bereich entwickelt und zertifiziert. Sie bietet die Möglichkeit, über Audio- und Videofunktion (z.B. über das Sehen von Reisedokumentationen, Serien oder klassischen Konzerten) Patienten zu beruhigen und abzulenken.

Methodik

Im Zeitraum 19.10. bis 30.10.20 erhielten Patienten, die für eine Koronarangiographie geplant waren das Angebot, die HappymedBrille während des Eingriffs zu tragen.  Sechs Patienten trugen die Brille.

Es wurden Befragungen zu Angst-/Stresslevel vor, während und nach der Koronarangiographie (Nominalskala 1-10) durchgeführt, sowie Daten zur Eingriffszeit und subjektiven Einschätzung der Eingriffszeit am Ende der Prozedur erhoben.  Erhebungen zur Dosis von Analgetika und Sedativa und zum Auftreten von Radialisspasmen.

Diese Daten wurden mit sechs Koronarangiographien ohne Einsatz der HappyMed-Brille aus dem selben Zeitraum verglichen.

 

Ergebnisse

Datenbasis

Demographische Daten beider Gruppen (HappymedBrille vs. Keine HappymedBrille) waren vergleichbar: 

Durchschnittsalter 71 vs 74 Jahre. 

Die Geschlechterverteilung war ähnlich (2 Frauen in HappyMed-Gruppe, 3 Frauen in Non-HappyMed-Gruppe). 

In 50% der Fälle beider Gruppen erfolgte eine PCI. 

Die Eingriffszeiten waren im Mittel ebenfalls ähnlich 36 vs 34 Minuten.

Vergleichbares Angst- und Stressniveau vor Beginn der Koronarangiographie : 5,5 vs 5,8.

 

Angst- und Stressniveau

Es kam während der Koronarangiographie zu einer Reduktion des Angst- und Stressniveaus in der Gruppe mit HappyMed-Brille um 49% (5,5 s. 2,83) verglichen zum Ausgangswert. 

Das Angst-/Stressniveau während der Prozedur in der Gruppe ohne Brille blieb auf dem Ausgangsniveau (5,83 vs. 5,66).

Zum Ende der Prozedur kam es zu einer weiteren Reduktion des Angst-/Stressniveaus in der HappyMed-Gruppe und zu einem Abfall in der Non-HappyMed-Gruppe mit jedoch persistierend höherem Niveau in der Non-HappyMed-Gruppe (1,5 vs. 3,2).

Analgosedierung

Midazolam wurde  in der HappyBrillen-Gruppe in 50% geringerer Gesamtdosis eingesetzt (Durchschnittsdosis: 0,66mg vs. 1,33 mg). Beim Einsatz von Fentanyl konnte eine Dosiseinsparung um 57% verzeichnet werden (Durchschnittsdosis: 25 yg vs. 58 yg)

 

Radialisspasmus/X-Over

Alle Prozeduren wurden transradial begonnen. In der HappyMed-Gruppe kam es zu einem Gefäßspasmus, der konventionell beherrscht wurde. In der Non-HappyMed-Gruppe kam es zu zwei Gefäßspasmen, woraufhin in einem Fall ein Wechsel auf einen transfemoralen Zugang nötig war.

 

Fazit

Die Ergebnisse zeigen eine Reduktion des Angst-/Stressniveaus während und nach der Intervention, sowie eine Reduktion von analgosedierender Medikation durch audiovisuelle Ablenkung mittels HappyMed-Brille.
Zur weiteren Evaluierung von audiovisueller Ablenkung wäre eine randomisierte und kontrollierte Studie erforderlich und eine Ausweitung des Einsatzes auf andere kardiologische Eingriffe in Analgosesierung (z.B. EPU, TAVI oder Herzschrittmacher-, ICD, CRT-Implantationen) wünschenswert.


https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/P749.htm