Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Zwei Schwestern, zwei Mutationen, zwei neue Herzen? - Klinische Herausforderungen bei komplexem MYBPC3-Genotyp einer Hypertrophen Kardioymopathie
J. K. Scheffler1, Y. Teumer1, C. Schweizer1, M. Baumhardt1, C. Bothner1, K. Weinmann1, F. Diofano1, D. Aktolga1, T. Dahme1, W. Rottbauer1, S. Just1, A. Pott1, für die Studiengruppe: BCMU
1Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Ulm, Ulm;

Hintergrund

Die Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste genetisch bedingte kardiale Erkrankung und eine häufige Ursache des plötzlichen Herztodes in jungen Patienten. Hierbei liegen in den meisten Fällen autosomal dominante Mutation in den Sarkomerproteinen, insbesondere Mutationen im MYBPC3-Gen vor. Eine komplexe Heterozygotie (compound heterozygosity) bezeichnet das Vorliegen von zwei verschiedenen krankheitsauslösenden Mutationen auf den beiden Allelen eines Genlocus und geht häufig mit einem schweren HCM-Phänotyp einher. Eine kausale Therapie zur Behandlung einer genetisch bedingten HCM existiert bislang nicht, so dass oftmals die Herztransplantation (HTx) als einzige Option verbleibt. Im folgenden Fallbeispiel berichten wir den Langzeitverlauf zweier Indexpatientinnen mit einer MYBPC3-Compound Heterozygotie und schwerstem HCM-Phänotyp.

Fallbeispiel

Über die pädiatrische Abteilung des Universitätsklinikums Ulm wurde uns nach Erreichen der Volljährigkeit ein weibliches Geschwisterpaar mit schwerster HCM vorgestellt. Bereits im Alter von 13 bzw. 14 Jahren kam es bei den Schwestern jeweils zum überlebten plötzlichen Herztod, welcher zur Erstdiagnose einer schweren HCM mit ausgeprägter Hypertrophie des linken Ventrikels führte. Sekundärprophylaktisch wurde in beiden Fällen ein transvenöser ICD implantiert. Eine weiterführende molekulargenetische Diagnostik zeigte die Kombination zweier verschiedener Mutationen im MYBPC3-Gen auf Chromosom 11p11.2, einer Intron-Mutation IVS12-2A>G sowie einer Missense-Mutation in Exon 18, c.1343C>T, p-448S.

In den phänotypisch unauffälligen Eltern und einer ebenfalls unauffälligen weiteren Schwester konnte jeweils nur eine Mutation nachgewiesen werden, so dass aufgrund des Seggregationsmusters die kausale Beteiligung beider Mutationen für den schweren HCM-Phänotyp anzunehmen ist. Funktionell scheint IVS12-2A>G an der MYBP3C-Phosphorylation und somit an der Kontraktilität der Sarkomere beteiligt zu sein.

Im weiteren klinischen Verlauf entwickelten beide Schwestern eine ausgeprägte Reduktion der systolischen Herzfunktion mit klinischer Herzinsuffizienz NYHA III sowie häufige ventrikuläre Arrhythmien und konsekutiven ICD-Therapien. Bei bereits im jungen Alter pharmakologisch austherapierten Patientinnen sowie des komplexen Genotyps erfolgte daher frühzeitig die herzchirurgische Vorstellung und Listung zur Herztransplantation.  

Schlussfolgerung

Komplexe Mutationen in Sarkomerproteinen sind häufig mit schwersten klinischen Verläufen verbunden. Eine detaillierte molekulargenetische Aufarbeitung ermöglicht eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation und somit eine Antizipation des Weiteren klinischen Verlaufs. Im vorliegenden Fall war aufgrund einer heterozygoten MYBPC3-Mutation ein weiterer Progress des HCM-Phänotyps zu erwarten und daher eine frühzeitige HTx-Listung in die Wege geleitet worden.    


https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/P439.htm