Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Sven-Effert-Abstract-Preis (1. Platz):
Der langsame Fluss im linken Vorhofohr als unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von kardioembolischen Schlaganfällen und kognitiven Veränderungen in Schlaganfall- und TAVI- Patienten

G. Klinger1, L. Schettler1, M. Schnieder2, M. Bähr2, G. Hasenfuß1, J. Liman2, M. Schroeter1
1Herzzentrum, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen; 2Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen;

Hintergrund: In einer kürzlich publizierten Retrospektivstudie konnten wir nachweisen, dass aus einer geringeren Blutflussgeschwindigkeit im linken Vorhofohr (LAA-FV), klinisch schwerere Schlaganfälle resultieren. Dieser Zusammenhang korreliert bei einer LAA-FV unterhalb von 60 cm/s. Auch nachdem Patienten mit vorbekanntem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz aus der Analyse ausgeschlossen wurden, blieb die Korrelation erhalten.

Ziele: Die aktuelle Studie untersucht nun prospektiv, inwiefern ein langsamer Blutfluss im LAA als unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von kardioembolischen Schlaganfällen infrage kommt und welche kognitiven Veränderungen damit einhergehen können.

Methoden: In die prospektive Kohortenstudie werden Patienten ab 60 Jahren eingeschlossen, die aufgrund eines transfemoralen Aortenklappenersatzes (TAVI) oder eines Schlaganfalls eine transösophageale Echokardiographie inklusive LAA-FV erhalten haben und bei denen kein Vorhofflimmern bekannt ist. Zudem werden transthorakale Echokardiographie, Langzeit-EKG, Gerinnungsdiagnostik und eine kognitive Ersteinschätzung mittels Montreal Cognitive Assessment (MoCA) durchgeführt. Die Studiengruppe (SG) weist eine LAA-FV von <60 cm/s auf, die Kontrollgruppe (KG) eine LAA-FV von >60 cm/s. Die in den Gruppen eingeteilten TAVI- und Schlaganfallpatienten werden nochmals separat betrachtet. Nach 3, 6 und 12 Monaten erfolgt jeweils ein Follow-up. Hierbei werden stattgehabte Schlaganfälle, Thromboembolien, Hospitalisierungen, neu aufgetretenes Vorhofflimmern oder eine begonnene Antikoagulationstherapie festgestellt sowie ein Telefon-MoCA-Test durchgeführt. Als primärer Endpunkt gelten ein Schlaganfall, eine andere Form der Kardioembolie oder ein positives Ausschlusskriterium im Follow-up.

Ergebnisse: Aktuell befinden sich 121 Patienten in der Studie (42,1% weiblich, mittleres Alter 73,8 ± 9,2 Jahre, 82,5% mit arterieller Hypertonie, 23% mit Diabetes mellitus. 18,3% Patienten mussten aufgrund eines positiven Ausschlusskriteriums ausgeschlossen werden). Insgesamt war die Inzidenz von relevanten Ereignissen in beiden Gruppen im bisherigen Follow-up auf niedrigem Niveau. Zwei Schlaganfälle konnten jeweils in der SG (beim gleichen Patienten) sowie in der KG detektiert werden; zwei weitere bei Patienten mit positivem Ausschlusskriterium. Insgesamt traten 5 der 6 Schlaganfälle im Follow-up bei initial aufgenommenen Schlaganfallpatienten auf und 1 Ereignis bei einem TAVI-Patienten. In der SG stieg der mittlere MoCA-Score in 6 Monaten signifikant von 73,1 ± 15,6 % auf 81,8 ± 14,7%; p=0,002. In der KG kam es zu keiner signifikanten Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten (81,8 ±11,5% vs. 86,6 ± 10,8%; p=0,137). Die in die Studie rekrutierten TAVI-Patienten zeigten ebenfalls nach 6 Monaten eine mittlere Verbesserung von 72,36 ± 13,1% auf 81,8 ± 12,4%; p=0,004. Bei den Schlaganfallpatienten kam es nach 6 Monaten zu einer grenzwertig noch nicht signifikanten Verbesserung von 80,15 ± 14,6% auf 85,6 ± 14,9%; p=0,052.

Schlussfolgerungen: Der Nachweis eines langsamen Blutflusses im LAA scheint mit kardio-embolischen Ereignissen sowie kognitiven Funktionsstörungen assoziiert sein. Zudem könnte eine TAVI bei diesen Patienten zu einer signifikanten kognitiven Funktionsbesserung und einer Steigerung der LAA-FV führen und somit protektiv bezogen auf die Studienfrage wirken. Es werden gerade weitere Patienten analysiert, um die Aussagekraft der aktuellen Daten noch weiter zu erhöhen.


https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/P323.htm