Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Prädiktive Faktoren für das Auftreten von Reizleitungsstörungen nach einem transfemoralen Aortenklappenersatz
V. Pavlicek1, F. Mahfoud1, K. Bubel2, P. Fries2, D. Millenaar1, S. Ewen1, M. Böhm1, B. Scheller1, C. Ukena1
1Innere Medizin III - Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar; 2Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar;
Hintergrund: Reizleitungsstörungen gehören zu den häufigsten Komplikationen nach einem transfemoralen Aortenklappenersatz (TAVI). Im Rahmen unserer Studie wurde der prädiktive Wert klinischer, anatomischer und elektrophysiologischer Parameter für das Auftreten von Reizleitungsstörungen nach TAVI untersucht.

Methoden:
Patienten ohne präexistierenden Schrittmacher, ICD oder CRT-D/P, die sich einer TAVI mit einer selbstexpandierenden (n=103) oder einer ballonexpandierenden Klappe (n=100) unterzogen haben, wurden eingeschlossen. Während der TAVI-Prozedur wurde das HV-Intervall vor und nach TAVI gemessen. 12-Kanal-Elektrokardiogramme (EKG) vor und während TAVI sowie nach 3 und 30 Tagen wurden auf das Auftreten intraventrikulärer Reizleitungsstörungen (IRS), die als ein hochgradiger AV-Block (HAVB) oder ein neu aufgetretener Linksschenkelblock (LSB) definiert wurden, untersucht. Des Weiteren wurde die Länge des membranösen Septums und prozedurale Daten wie Implantationstiefe, Vor- und Nachdilatation erfasst. Folgende Endpunkte wurden definiert: i) Auftreten eines HAVB (AV-Block II° Typ Mobitz oder AV-Block III°) innerhalb von 30 Tagen nach TAVI, der zu einer Schrittmacherimplantation führe, als primärer Endpunkt; ii) Auftreten einer IRS innerhalb von 30 Tagen nach TAVI als sekundärer Endpunkt. 

Ergebnisse:
TAVI führte bei allen 203 Patienten (Alter 80±6 Jahre, 54% männlich, LVEF 52±10%) zu einer signifikanten Verlängerung der infranodalen Leitungszeit von 49±10ms auf 59±16ms (p<0.01). Die Verlängerung des HV-Intervalls war unabhängig vom implantierten Klappentyp, HAVB mit konsekutiver Schrittmacherimplantation und dem Auftreten einer IRS nach TAVI. Innerhalb von 30 Tagen nach TAVI wurde 15 Patienten (7%) aufgrund eines HAVB ein Schrittmacher implantiert (primärer Endpunkt) und 63 Patienten (31%) entwickelten eine IRS (sekundärer Endpunkt). Vorbestehender Schenkelblock (OR 11.64; 95%-CI 2.87-47.20; p=0.001), neu aufgetretener LSB (OR 15.72; 95%-CI 3.05-81.03; p=0.001) und Diabetes mellitus (OR 3.88; 95%-CI 1.30-15.99; p=0.02) konnten als unabhängige Prädiktoren für das Auftreten eines HAVB und damit verbundener Schrittmacherimplantation identifiziert werden. In unserer Studie hatten weder ein präexistenter Rechtsschenkelblock, ein verlängertes HV-Intervall nach TAVI >55 ms oder >70 ms, eine Verlängerung des PQ-Intervalls >20ms, prozedurale und anatomische Eigenschaften wie Vor- und Nachdilatation, Implantationstiefe und Länge des membranösen Septums, noch echokardiografische Eigenschaften einen prädiktiven Wert für das spätere Auftreten eines HAVB. 

Zusammenfassung:
Ein transfemoraler Aortenklappenersatz sowohl mit einer selbstexpandierenden als auch einer ballonexpandierenden Klappe führen zu einer signifikanten Verlängerung des HV-Intervalls. Diese war jedoch nicht mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines HAVB innerhalb von 30 Tagen nach TAVI assoziiert. Lediglich eine präexistente intraventrikuläre Erregungsbildungsstörung jeglicher Art, ein neu aufgetretener LSB nach TAVI sowie ein bekannter Diabetes mellitus konnten als unabhängige Prädiktoren für das Auftreten eines HAVB mit konsekutiver Schrittmacherimplantation identifiziert werden. Diese Studie zeigt, wie komplex die Risikostratifizierung und das Management von Reizleitungsstörungen nach TAVI ist, so dass bei der Therapieentscheidung viele verschiedene Faktoren in Betracht gezogen werden müssen. 
 
 
 
 

https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/P315.htm