Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Abstract-Preis der Sektion Assistenz- und Pflegepersonal in der Karidologie (1. Platz):
„Material- und Bestellprozesse im Herzkatheterlabor sind Zeitfresser“ – Was kann uns entlasten?

I. Chemnitz-Scholz1, C. Schmidt2, O. Deckwart3
1CC11: Med. Klinik m. S. Kardiologie und Angiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin; 2Med. Klinik m. S. Kardiologie und Angiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin; 3Medizinische Berufsfachschule, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig;

Hintergrund und Motivation:

Die Arbeit im Herzkatheterlabor ist komplex und anspruchsvoll. Hochfrequente Arbeitsabläufe verlangen effiziente Materialprozesse, um begrenzte Humanressourcen auf das Kerngeschäft zu fokussieren. Sehr spezielle Verbrauchsmaterialien müssen in vielfältiger Form und Größe vorgehalten werden, bei gleichzeitig begrenzten Lagerkapazitäten. Eine detaillierte Nachverfolgung aller Zu- und Abgänge an Material im Patientenkontext, ein zeitgerechtes Vorerfassen von Verfallsdaten sowie das Abrufen von Echtzeitbeständen ist bisher nicht möglich bzw. nur mit erheblichem zeitlichem und personellem Aufwand zu realisieren. Vor diesem Hintergrund entstand ein Pilotprojekt zum Einsatz eines automatisierten Beschaffungs- und Lagerverwaltungssystems.

 

Beschreibung des Projektes:

Bei dem Lagerverwaltungssystem handelt es sich um eine cloudbasierte Software-Plattform, die Bestands- und Nutzungsdaten in Echtzeit zur Verfügung stellt. Zu den Hardwarekomponenten gehören neben speziellen Lagerschränken auch elektronische Kennzeichnungs- und Identifizierungsgeräte. Die Schränke sind mit integrierten Radio-Frequency-Identification (RFID)-Lesegeräten ausgestattet und erfassen automatisiert die Einlage und Entnahme von Material. Mobile Handlesegeräte ermöglichen es, das Material auch außerhalb der Schränke zu verfolgen sowie Patienten-Barcodes direkt am Behandlungsort zu erfassen. Damit ist eine Echtzeit-Kontrolle des Abteilungsbestands an Verbrauchsmaterialien möglich. Dies stellt sicher, dass Materialien zur richtigen Zeit am richtigen Ort und insb. für selten durchgeführte Interventionen zur Verfügung stehen. Neben automatisierter Kostenerfassung kann die Dokumentation vergütungsrelevanter Materialien gewährleistet werden und außerdem vereinfachen automatische Inventuren die Bestandskontrollen. Warnhinweise für abgelaufene und zurückgerufenen Produkte tragen zur Patientensicherheit bei. Schnittstellen zu den bestehenden IT-Systemen können Transparenz schaffen und fundierte Analysen ermöglichen, die finanzielle und betriebliche Entscheidungen erleichtern.

 

Förderfaktoren und Hürden:

Initial stellten die notwendigen Investitionskosten eines solchen Systems im Zusammenhang mit dem Stellenwert der Bestelllogistik eine entscheidende Hürde dar. Ebenso mussten Teamwiderstände im gesamten Change-Prozess überwunden und Anpassungen an der IT-Infrastruktur vorgenommen werden. Förderlich waren die schnell sichtbaren Nutzungserfolge. Für das Fachpersonal war der Umgang mit dem System nach kurzer Anlernphase unkompliziert und 99% der Produkte konnten direkt am Behandlungsort dokumentiert werden. Seit Beginn des Projektes konnten der Materialverfall auf ein Minimum reduziert (1,3% des Gesamtverbrauchs) und der Überbestand nahezu halbiert (45%) werden. Die Optimierung der Arbeitsabläufe scheint außerdem zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter durch Zeiteinsparung bei materialwirtschaftlichen Aufgaben beizutragen.

 

Ausblick:

Das eingesetzte Lagerverwaltungssystem hat das Potenzial, Fachpersonal im Herzkatheterlabor bei Material- und Bestellprozessen zu unterstützen und zu entlasten sowie Materialkosten zu reduzieren. Weitere Untersuchungen im Verlauf der Nutzung sind erforderlich, um Argumente für Entscheidungsträger zu generieren. Der geplante Aufbau des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) könnte neue Impulse für den Einsatz eines solchen Systems setzen.


https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/P1036.htm