Clin Res Cardiol (2021). 10.1007/s00392-021-01933-9

Ursachen der verkürzten Repolarisation: SLC4A3-Genmutationen als Hauptursache für das Kurze QT-Syndrom (SQTS)
K. Vogel1, S. Dittmann1, P. Müller2, M. K. Christiansen3, H. K. Jensen3, E. Schulze-Bahr1
1Institut für Genetik von Herzerkrankungen (IfGH), Universitätsklinikum Münster, Münster; 2Elektrophysiologie, Klinikum Vest GmbH, Recklinghausen; 3Department of Cardiology, Aarhus University Hospital, Aarhus, DK;
Hintergrund
Das Kurze QT-Syndrom („Short-QT Syndrome“; SQTS) ist eine sehr seltene, primär elektrische Herzerkrankung mit nur einigen hunderten Fällen weltweit. Die Diagnose wird zumeist nach Ausschluss sekundärer Ursachen z.B. anhand der sog. Gollob-Kriterien (Gollob et al. 2011) gestellt oder bei einem pathologisch verkürzten QTc-Intervall (< 330 ms, ohne Symptome bzw. < 360 ms mit ventrikulären oder atrialen Arrhythmien, SCA oder positiver Familienanamnese). Der plötzliche Herztod stellt dabei in etwa 30% der Fälle die Erstmanifestation dar; die kardiale Bildgebung (TTE, MRT, Koronarangiographie) sind unauffällig, weswegen eine klinische Überlappung zum idiopathischen Kammerflimmern besteht. 
Obwohl in vielen Fällen eine mögliche familiäre Genese besteht und autosomal dominante Erbgänge beschrieben sind, werden aktuell nur <20% der Fälle genetisch aufgeklärt. Bislang sind Genmutationen in kardialen Ionenkanalgenen bekannt, insbesondere in KCNH2, KCNQ1, KCNJ2, CACNA1C, die auch ein Langes QT-Syndrom (LQTS) verursachen können. 
In 2017 wurde erstmals eine nicht-synonyme, Loss-of-function Genmutation im SLC4A3-Gen (p. Arg370His), das einen kardialen Anionenaustauscher (AE3) kodiert und durch verminderte intrazelluläre Chlorid-Konzentration zur Verkürzung der Aktionspotentialdauer führt, in zwei nicht-verwandten SQTS-Familien beschrieben (Thorsen et al. 2017).
→ Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Rolle von SLC4A3 in 38 SQTS-genetisch negativen – Patienten zu ermitteln. 
Methoden
Von insgesamt 42 nicht-verwandten Patienten mit gesichertem SQTS der Bioprobenbank und des Ionenkanalregisters des Institutes waren 38 ohne pathogener Mutation in den bisherigen SQTS-Genen. Die genomische DNA dieser Patienten wurde entweder mittels einer Multi-Gen-Panel-Sequenzierung inkl. CNV-Analyse oder direkt mittels Sanger-Sequenzierung auf Vorliegen einer SLC4A3-Variante analysiert; Genvarianten wurden anschließend bioinformatisch ausgewertet (Frequenz in gnomAD, kombinierter VarCards-Pathogenitätsscore (23 Programme), bekannt in spezifischen Gen-Datenbanken) und entsprechend der ACMG-Klassifikation eingeteilt. 
Ergebnisse
Bei 55% der Patienten lag ein dokumentiertes Kammerflimmern vor. Es handelt sich um überwiegend männliche Patienten (94%) mit einem Durchschnittsalter von 33 ± 12 Jahren. Die durchschnittliche QTc Zeit betrug 315 ± 15ms (Mutationsträger) bzw. 338 ± 13ms (keine SLC4A3 Variante).
Insgesamt konnten bei 38 Patienten vier neue, nicht-synonyme Varianten in SLC4A3 identifiziert werden. Die erstmalig beschriebene Genmutation, p.Arg370His, wurde ebenfalls identifiziert (ACMG Klasse 5, sicher pathogen). Die vier weiteren Genvarianten wurden – da keine Funktions- und Familiendaten bekannt sind – zunächst als ACMG 3-Varianten klassifiziert; für eine Pathogenität und Kausalität beim SQTS sprechen jedoch ihre Seltenheit in Kontrollpopulationen (max. 0,0004% in gnomAD) sowie hohe Pathogenitätsscores in VarCards (19-22 von 23 Programmen).
Fazit
Die genetischen Untersuchungen von SLC4A3 in diesem seltenen, großen Kollektiv mit SQTS-Patienten zeigen, dass es sich um ein relevantes Hauptgen (Mutationsdetektionsrate >10%), welches hierdurch eine starke Krankheitsevidenz bekommt. Dieses trägt signifikant zu den diagnostischen, aber auch prädiktiven Möglichkeiten beim SQTS, eventuell auch beim IVF, bei sowie bei der Heterozygotendiagnostik bei biologisch verwandten Familienmitgliedern bei.
 

https://dgk.org/kongress_programme/ht2021/BS657.htm