Clin Res Cardiol 108, Suppl 2, October 2019

AV-Block III° nach Salatkonsum
M. Gafiullina1, F. Barmeyer1, A. Öner1, S. Yücel1, H. Ince1, E. Caglayan1
1Klinik für Kardiologie, Universitätsmedizin Rostock, Rostock;

Anamnese:

Eine 74-jährige Patientin stellte sich in der Notaufnahme mit seit 3-4 Tagen bestehender Übelkeit, galligem Erbrechen und Diarrhoe nach dem Verzehr eines Rucola-Salates aus dem eigenen Garten vor. Zudem bestand ein ausgeprägtes Schwäche- und Schwindelgefühl (ohne Synkope), ein schwankender Gang und eine reduzierte körperliche Belastbarkeit. Bis auf eine medikamentös substituierte Hypothyreose, waren keine Vorerkrankungen bekannt. Weitere Medikamente wurden nicht eingenommen.


Befunde:

Die klinische Untersuchung ergab bis auf eine bradykarde Herzfrequenz (50 bpm). Im Aufnahme-EKG zeigte sich AV-Block II°, Typ Wenckebach. In den Ableitungen I und aVL fielen muldenförmige ST-Streckensenkungen auf. Serochemisch präsentierten sich leicht erhöhte Transaminasen. Die übrigen Laborwerte waren unauffällig.

Therapie und Verlauf:

Aufgrund höhergradiger AV-Blockierungen wurde die Patientin zur Überwachung auf die kardiologische Wacheinheit aufgenommen. Die Patientin gab an, dass ihr Lebensgefährte vor 2 Tagen mit ähnlichen Beschwerden und AV-Block III° in einer anderen Klinik aufgenommen wurde. In beiden Fällen wurde über den zeitlichen Zusammenhang zwischen Rucolaverzehr und Symptomatik berichtet. Durch die Giftnotrufzentrale wurde bestätigt, dass die in Rucola enthaltenen Stoffe keine kardialen Nebenwirkungen auslösen. Allerdings sind ähnliche Vergiftungserscheinungen bei blauem Eisenhut (Aconitum napellus, enthält Aconitin), Maiglöckchen (enthält Cardenolide) und Fingerhut (Digitalis purpurea, enthält Digitalis Glykoside) bekannt. Auf Nachfrage bestätigte die Patientin, dass roter Fingerhut verwildert im Garten neben dem Rucolaanbau wächst. Sie könne nicht ausschließen das einige Pflanzenteile unbewusst in den später zubereiteten und verzehrten Salat gelangten.

Der rote Fingerhut ist eine zweijährige Pflanze. Im ersten Jahr werden Wurzeln und Blätter ausgebildet, im zweiten kommt es zur Ausbildung von Blüten und Samen. Diese „Tarnung“ macht die Pflanze gefährlich, da alle Teile des Fingerhuts giftig sind. Bereits der Verzehr von wenigen Blättern kann einen tödlichen Verlauf haben. 

Bei der Patientin lag der Digitoxin-Spiegel bei 60,6 µg/l (Referenz 10-30 µg/l) und somit im toxischen Bereich. Bei kreislaufstabiler Patientin wurde ein konservativ abwartendes Prozedere mit Monitor-Überwachung durchgeführt. In den nächsten Tagen besserte sich allmählich der klinische Zustand und die EKG-Veränderungen waren komplett rückläufig. Der vor Entlassung bestimmte Digitoxinspiegel lag bei 33,1 µg/l. Die Patientin konnte bei Wohlbefinden wieder in die Häuslichkeit entlassen werden.

Die Kontaktierung der anderen Klinik bestätigte ebenfalls eine Digitoxinintoxikation beim Lebensgefährten. Mit fallendem Digitoxinspiegel waren auch hier die Symptome rückläufig, so dass auch hier von einer geplanten Schrittmacherimplantation abgesehen werden konnte.

Fazit:

Auch bei fehlender Medikamentenanamnese sollte die akzidentelle Intoxikation mit Digitalisglykosiden in Betracht gezogen werden.


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