Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Therapieziele der lipidsenkenden Therapie beim Hochrisikopatienten

U. Laufs1
1Innere Medizin III, Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, BusinessLogic.Land;
Die Leitlinien der DGK empfehlen für vaskuläre Risikopatienten die Senkung des LDL-Cholesterins < 100 mg/dl unter Einsatz eines Statins als Medikament der ersten Wahl. Die Gabe eines Statins wird auch für Risikopatienten (10-Jahres- Herzinfarktrisiko > 20%) mit LDL-Werten < 100 mg/dl empfohlen. Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass eine weitere Senkung des LDL-Cholesterin das kardiovaskuläre Risiko senken kann. Daher stellt sich die Frage, bei welchen Patienten eine aggressivere Lipidsenkung indiziert ist.
In der PROVE IT Studie wurde geprüft, ob bei Pat. mit akutem Koronarsyndrom (ACS) eine Lipidsenkung mit Pravastatin 40 mg, im Mittel auf ein LDL-Cholesterin von 95 mg/dl, einer aggressiveren Lipidsenkung mit Atorvastatin 80 mg (LDL 62 mg/dl) unterlegen wäre (n=4162, 2 Jahre). Die Wirksamkeit von Pravastatin 40 mg zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse ist für Pat. mit Hypercholesterinämie und/oder KHK sehr gut belegt. Es zeigte sich jedoch eine Überlegenheit der aggressiveren Lipidsenkung in Bezug auf den kombinierten primären Endpunkt um 3,9 % (26,3% vs 22,4 %, RRR 16%). Entsprechend profitierten pro Jahr durch die intensive im Vgl. zu der moderaten Lipidsenkung 2 Pat. von 100 Pat. mit ACS.  Die Gabe von Atorvastatin 80 mg war nicht mit vermehrten unerwünschten Wirkungen assoziiert. Die sek. Endpunkte Tod und Herzinfarkt waren nicht signifikant unterschiedlich, der kombinierte Endpunkt wurde wesentlich durch die Reduktion der Revaskularisationen und der Krankenhausaufnahmen wegen instabiler Angina pectoris beeinflusst.
In der Phase Z des A to Z Trial  wurden ebenfalls Pat. mit ACS eingeschlossen (n=4.500). Eine schnelle Lipidsenkung (Simvastatin 40 mg für 1 Monat, danach Simvastatin 80 mg) war im Vergleich zu einer verzögerten Lipidsenkung (4 Monate Placebo, anschließend Simvastatin 20 mg) in Bezug auf einen kombinierten Endpunkt nicht signifikant überlegen  (Risikoreduktion 2,3%). Subgruppenanalysen zeigten jedoch einen Trend zu Gunsten der intensiveren Behandlung.
Die TNT Studie untersuchte im Unterschied zu PROVE-IT Patienten mit stabiler KHK(n=10.000; 4,9 Jahre). Verglichen wurden Atorvastatin 40 mg (LDL Senkung auf 101 mg/dl) mit Atorvastatin 80 mg (LDL-Senkung auf 77 mg/dl). Beide Strategien waren sehr wirksam, der kombinierte primäre Endpunkt wurde in der Atorvastatin 40 mg Gruppe nur in 10.9% erreicht. Im Vgl. zu 40 mg reduzierte 80 mg Atorvastatin das Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses um 2.2 % auf 8.7 % (RRR 22%, NNT 80mg vs. 40mg: ca. 1/200/Jahr). Positiv war auch das Ergebnis einer Studie mit ähnlichem Design und koronar-morphologischem Endpunkt (REVERSAL).
Praktische Implikationen: Alle Patienten mit koronarer Herzkrankheit sollten mit einem Statin behandelt werden, LDL-Ziel < 100 mg/dl. Patienten mit hohem vaskulärem Risiko, insbesondere Pat. mit einem akuten Koronarsyndrom, profitieren von einer schnellen und aggressiven Lipidsenkung mit einem Statin. Eine intensive Lipidsenkung < 70 mg/dl ist einer weniger intensiven Lipidsenkung überlegen, allerdings ist der absolute Behandlungseffekt im Vergleich zu einer "moderaten" LDL-Senkung beschränkt. Für individuell zu identifizierenden Patienten stellt ein LDL < 70 mg/dl jedoch ein sinnvolles therapeutisches Ziel dar.
Offene Fragen: Die praktisch wichtigste offene Frage ist Selektion derjenigen Patienten, die am meisten von einer aggressiven Lipidsenkung profitieren, d.h. die Risikostratifizierung von Pat. mit bereits manifesten arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen. Weitere ungeklärte Punkte für die Praxis sind die notwendigen Dauer einer aggressiven Statin-Dosierung nach einem akuten Koronarsystem und der Stellenwert der Kombination von Statinen mit anderen lipidsenkenden Pharmaka.

http://www.abstractserver.de/dgk2005/ht/abstracts/H502.htm