Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Prä-Diabetes: Wann und wie behandeln?
M. Hanefeld1
1Zentrum f. klinische Studien/Forschung, GwT-TUD mbH, Dresden, BusinessLogic.Land;
In Deutschland leiden bereits jetzt über 10 % der Bevölkerung über 30 Jahre an einem Typ 2 Diabetes. Nach den Berechnungen der WHO werden 2025 weltweit 333 Millionen Diabetiker leben. Die Zahl der Personen mit Impaired Glucose Tolerance (IGT) wird für diese Zeit mit 475 Millionen berechnet. Nach der neuen Terminologie der IDF werden IGT und Impaired Fasting Glucose (IFG) als Prädiabetes zusammengefasst, um damit auch die Gefährdung zu signalisieren. In Deutschland wird für jeden bekannten Diabetiker eine Person mit IGT angenommen. In der RIAD (Risk Factors in IGT for Diabetes and Atherosclerosis) Studie hatten 11,5 % der Untersuchten eine IFG und 26,2 % eine IGT. Besonders häufig (> 30 %) findet sich ein Prädiabetes bei folgenden Hochrisikogruppen: Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK), PAD, Metabolisches Syndrom und Verwandte 1. Grades von Typ 2 Diabetikern. Deshalb sollte bei diesen Patienten auch ein OGTT durchgeführt werden, da sonst über 50 % der Prädiabetiker nicht erfasst werden. Personen mit isolierter IFG oder IGT haben bei Deutschen eine Konversionsrate von 2-3 % pro anno, IFG + IGT dagegen ~ 10 %. IGT, weniger IFG ist ein schwerwiegender Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Odds ratio für IGT bezüglich Herzinfarkt gegenüber normaler Glukosetoleranz beträgt 1.5-2. Dies spricht für eine eigenständige Rolle der postprandialen Hyperglykämie als Progredienzfaktor der Arteriosklerose und für die Plaque-Stabilität. Nach den vorliegenden Daten epidemiologischer Studien sollten alle Patienten mit Prädiabetes eine Gesundheitsberatung erhalten, die im wesentlichen den Empfehlungen für koronare Herzkrankheiten entspricht (common soil!). Bei Patienten mit KHK / PAD, mit > 2 weiteren Erkrankungen des metabolischen Syndroms und der Kombination IFG + IGT muss von einem sehr hohen Risiko ausgegangen werden, so dass eine medikamentöse Therapie indiziert erscheint. Damit werden präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Typ 2 Diabetes und kardiovaskulären  Begleitkrankheiten zu einem kategorischen Imperativ. Mit Hinblick auf das Gesundheitsrisiko haben sich die Bemühungen bisher vor allem auf die Prävention des Diabetes bei Personen mit IGT gerichtet. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse sind ermutigend. In frappierender Übereinstimmung konnte in zwei der drei Life-Style Studien eine Senkung der Konversion von IGT zu Typ 2 Diabetes um etwas über 50 % erreicht werden. Die finnische Life Style Studie und das US-amerikanische Diabetes Prevention Program (DPP) zogen dabei alle Register: Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung, physische Konditionierung, psychosomatische Betreuung, so dass der Einzeleffekt der Interventionskomponenten nicht abgelesen werden kann. Wir wissen aber aus allen Vorläuferstudien, dass Gesundheitsverhalten eine Einheit bildet. In der Daquing Studie waren Ernährungsumstellung und Konditionierung gleich wirksam, die Kombination beider erhöhte den Effekt auf die Konversionsrate nicht. In allen Studien war die Langzeitcompliance zur physischen Konditionierung am besten. Nicht jeder kann oder will seinen Lebensstil so ändern, wie in den drei Life-Style Studien beschrieben. Deshalb ist die Suche nach geeigneten Medikamenten durchaus legitim, muss sich aber stets an den Ergebnissen der Life-Style Studien messen lassen und kann nur als add on Medikation akzeptiert werden. Hierzu liegen nunmehr zwei Studien vor, bei denen die Prävention des Diabetes das primäre Ziel war: der Metforminarm der DPP und die STOP-NIDDM Studie. In der DPP wurde mit Metformin eine Reduktion neuer Diabetesfälle um 31 % erzielt. In der STOP-NIDDM Studie, die Acarbose einsetzte, betrug die Reduktion 25 % in der Intention to Treat Analyse. Hilfe scheint auch von anderer Seite in Sicht. In der WOSCOPS und HOPE Studie traten unter einem Statin (Pravastatin) resp. einem ACE-Hemmer (Ramipril) 31 % weniger neue Diabetesfälle auf, ein Befund der in Zusammenhang mit pleiotropen Effekten, in diem Falle antiinflammatorischen, dieser Medikamente gesehen wird. Gegenwärtig laufen zwei Großstudien: DREAM und NAVIGATOR, die so angelegt sind, dass auch Endpunkte: kardiovaskuläre Ereignisse und Gesamtsterblichkeit ermittelt werden können. DREAM (Diabetes Reduction Approaches with Ramipril and Rosiglitazone Medications) wird die Wirksamkeit der im Akronym aufgeführten Medikamente und ihre Kombination gegen Placebo testen. In der ersten Phase wird die Effizienz zur Verhinderung des Typ 2 Diabetes, in der zweiten Phase der Effekt auf Endpunkte geprüft. NAVIGATOR (Nateglinide and Valsartan in Impaired Glucose Tolerance Outcome Research) wird die Wirksamkeit eines ‚prandialen’ Insulinsekretagogums (Nateglinide) zur Restitution der frühen Insulinsekretionsphase und eines AT1 Blockers (Valsartan) und deren Kombination prüfen.  Erste Ergebnisse hierzu werden 2005/2006 erwartet. Mit der ORIGIN Studie wird bei 11000 Patienten mit frühem Diabetes oder Prädiabetes der Effekt einer strikten Blutzuckerkontrolle auf die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität unersucht. Dazu wird in einer offenen Studie die frühe Insulinbehandlung mit dem Basisinsulin Glargine mit konventioneller Therapie verglichen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die frühe Erfassung und konsequente Therapie des Prädiabetes sich als wirksame Waffe nicht nur zur Prävention des Diabetes, sondern auch zur Bekämpfung einer neuen Flut von Herzkreislauferkrankungen erweist. Die Herausforderung einer riesigen Welle von Neuerkrankungen des metabolisch-vaskulären Syndroms kann nur durch Teamwork von Kardiologen und Diabetologen gemeistert werden.  

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