Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Handheld-Echo oder Biomarker: Was macht die Diagnose sicher?
C. E. Angermann1
1Abt. Kardiologie, Medizinische Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, BusinessLogic.Land;

Herzinsuffizienz imponiert klinisch als Syndrom, das durch  Dyspnoe, Leistungsminderung und Wasserretention gekennzeichnet ist. Allerdings ist für die Diagnose zusätzlich immer der objektive Nachweis einer kardialen Funktionsstörung  zu fordern, da alle diese Symptome unspezifisch sind. Insbesondere bei älteren Patienten und begleitenden Erkrankungen des Respirationstraktes stellt die Diagnose „Herzinsuffizienz“ den primär versorgenden Arzt nicht selten vor Schwierigkeiten. In mehreren populationsbasierten Studien erwiesen sich Sensitivität und Spezifität der Symptomatik und des klinischen Befundes als erstaunlich gering, so dass die Möglichkeit, anhand eines einzelnen rasch verfügbaren Laborwertes die Primärdiagnostik zu verbessern, von erheblicher praktischer Relevanz wäre. Zahlreiche Studien sprechen nun dafür, dass die natriuretischen Peptide dies leisten könnten. Daher empfiehlt die erste Stufe des von den Fachgesellschaften vorgeschlagenen Algorithmus für das diagnostische Vorgehen bei Herzinsuffizienzverdacht neben dem EKG und der Röntgen-Thoraxaufnahme gleichwertig (soweit verfügbar) die Bestimmung des B-Typ natriuretischen Peptids bzw. des N-terminalen Fragments des proBNP (NT-proBNP). Der diagnostische Nutzen dieser Biomarker rührt daher, dass bei herzinsuffizienten Patienten eine Druck- und/oder Volumenbelastung des Herzens über eine Zunahme der Wandspannung die Mehrproduktion und -sektretion natriuretischer Peptide im atrialen und ventrikulären Myokard triggert. Insbesondere seit für beide Marker schnelle und verlässliche Testsverfahren verfügbar sind, wurde ihr diagnostisches Potenzial intensiv erforscht.

Bei gesunden Menschen liegt die Plasmakonzentration von BNP meist unter 20 pg/ml, die Messwerte sind allerdings abhängig von Alter, Geschlecht und genetischen Faktoren. Bei akuter Dyspnoe hat sich ein BNP-Plasmaspiegel von 100 pg/ml als hoch sensitiver und dabei noch befriedigend spezifischer Cut-off-Wert zur Identifizierung kardialer Ursachen erwiesen. BNP- bzw. NT-proBNP-Plasmaspiegel korrelieren bei akuter Herzinsuffizienz mit intrakardialen Drucken und der NYHA-Klasse; ob aber den Symptomen eine systolische oder diastolische Dysfunktion zugrunde liegt, kann anhand der Marker nicht sicher unterschieden werden. Erhöhte Messwerte müssen daher mittels Bildgebung weiter abgeklärt werden. Weitere Limitationen ergeben sich bei chronischer stabiler Herzinsuffizienz, wo auch bei eingechränkter Pumpfunktion manchmal normale (<100 pg/ml) BNP-Spiegel gefunden werden.

In Hinblick auf die dergestalt bzgl. der Differenzialdiagnose und dem Nachweis einer Herzinsuffizienz eingeschränkte Aussagekraft der Biomarker BNP und NT-proBNP sieht die nächste diagnostische Stufe die kardiale Bildgebung, und hier primär die Echokardiographie vor. Traditionell war dazu eine Überweisung zum Facharzt für Kardiologie erforderlich. Seit aber in den letzten Jahren miniaturisierte Echokardiographiegeräte von der Größe und dem Gewicht eines Laptop verfügbar werden, wäre denkbar, Ultraschallbildgebung des Herzens zur diagnostischen Primärversorgung in der Notaufnahme, in der hausärztlichen Praxis oder sogar am Krankenbett in der häuslichen Umgebung des Patienten einzusetzen. Die „Handheld“-Echokardiographie könnte dabei dazu dienen, im Sinne einer erweiterten körperlichen Untersuchung rasch Informationen über die kardiovaskuläre Anatomie, Funktion und Pathophysiologie zu gewinnen. Angestrebt werden kann dabei ein Screening, das die vollständige echokardiographische Untersuchung durch den Kardiologen weder ersetzen kann, noch soll. Bisher wurde nicht systematisch geprüft, ob der Einsatz der einfach zu handhabenden und preisgünstigen portablen Ultraschallgeräte durch entsprechend geschulte Hausärzte oder Notärzte zu ähnlichen oder noch günstigeren diagnostischen Ergebnissen führen würde, wie der Einsatz des Biomarkers BNP, dessen Bedeutung als „Rule-Out-Test“ bei Herzinsuffizienzverdacht in der Primärdiagnostik schon mehrfach gezeigt wurde. An der Universität Würzburg wird dieser Frage derzeit im Rahmen des Teilprojektes 6 ("Neue diagnostische Strategien") des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz mit der „Handheld-BNP-Studie“ nachgegangen. In einem 4-armigen prospektiven und randomisierten Design wird in Zusammenarbeit mit 48 Hausärzten und 12 Kardiologen aus den Räumen Würzburg und Essen bei 960 Patienten mit klinischen Herzinsuffizienzverdacht die Rate korrekter Diagnosen anhand entweder nur der klinischen Symptomatik, oder des vom Hausarzt selbst durchgeführten BNP-Tests bzw. Echokardiogramms oder aber beider technischer Untersuchungen ermittelt. Dabei könnte sich zeigen, dass echokardiographisch relativ einfach qualitativ zu beurteilende Parameter wie Herzgröße und systolische Pumpfunktion in der Hausarztpraxis ausreichend verlässlich erhoben werden, um die Herzinsuffizienzdiagnostik signifikant zu verbessern. Es könnte aber auch deutlich werden, dass die qualitative Point-of-Care-Bildgebung  kein konkurrierendes, sondern ein sinnvoll die BNP-Bestimmung ergänzendes Verfahren in der Primärdiagnostik der Herzinsuffizienz darstellt. Der sinnvolle und gezielte Einsatz beider diagnostischer Methoden könnte so zu einer verbesserten Früherkennung der Herzinsuffizienz beitragen und die gezieltere Überweisung zum Facharzt für Kardiologie ermöglichen.

 

 

 

 


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