H77 Ischämiediagnostik: Reichen Klinik und Belastungs-EKG für die Indikationsstellung zum Herzkatheter?
F.Haan
Praxis für Kardiologie, Solingen.

Die genaue Indikationsstellung zur invasiven Diagnostik ist bei chronisch stabiler Angina pectoris von großer Bedeutung. Dabei spielen der hohe Morbiditäts- und Mortalitätsgrad der koronaren Herzkrankheit ebenso wie ökonomische Aspekte eine wichtige Rolle. Es ist daher nicht verwunderlich, daß gerade in der Sprechstunde des niedergelassenen Kardiologen diese Frage häufig beantwortet werden muß.

Dabei ist es zu klären, ob es sich um eine Erstabklärung bei vermuteter koronarer Herzkrankheit handelt, oder ob eine solche beim Patienten bereits bekannt ist. Grundvoraussetzung zur Beantwortung der Frage ist die Erfahrung des untersuchenden Kardiologen. Darüber hinaus ist die Prävalenz zu berücksichtigen die neben Alter, Geschlecht und familiärer Disposition insbesondere auch das Risikoprofil des Patienten mit einbezieht. Auszuschließen sind Patienten mit manifester Herzinsuffizienz, akutem Koronarsyndrom und frischem Herzinfarkt. Gerade das Bild der atypischen Angina pectoris erfordert den hohen Erfahrungsgrad des Untersuchers. Die Bedeutung der Risikofaktoren im Hinblick auf die Prävalenz wurde eindrucksvoll durch die PROCAM-Studie dargelegt. Die klinische Untersuchung in Verbindung mit der Anamnese sortiert in vielen Fällen den Herzklappenfehler und die manifeste Herzinsuffizienz aus; auch extrakardiale Ursachen, wie Schildrüsenfunktionsstörungen und Anämien sind auszugrenzen.

Neben dem Ruhe- und Belastungs-EKG kommt der transthorakalen Echokardiographie ein hoher Stellenwert im Vorfeld der invasiven Diagnostik zu. Bei der Ergometrieuntersuchung sind seit Jahren Standards und Empfehlungen dem Untersucher vertraut. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Kriterien in der Ausbelastung und der Erholungsphase besonders hingewiesen. In der TIBET-Studie (Total Ischaemic Burden European Trial), kürzlich veröffentlicht im European Heart Journal (2003) 24, 532-540 wurde von C. Daly und Mitarbeitern herausgearbeitet, daß das Ausmaß der ST Streckensenkung während der Belastungsprüfung ebenso wie der Beginn der ST Streckensenkung während der Belastung eine besondere Rolle für das Eventrisiko in den nächsten zwei Jahren bei dem Patienten spielen. Betrug die Zeit bis zum Auftreten einer ST Streckensenkung von mehr als 1 mm oder dem Auftreten von Angina pectoris weniger als 30 Sekunden oder aber übertraf die ST Streckensenkung nach 30 Sekunden deutlich die 1 mm Grenze, so war die Hazard-ratio überdurchschnittlich hoch.

Aber auch die aktuelle gesundheitspolitische Diskussion mit der Erarbeitung strukturierter Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheit (DMP-KHK) macht es erforderlich, sich der Frage im Titel besonders anzunehmen, hängt nicht zuletzt hiervon doch wesentlich eine zukünftig qualitativ hochwertige Diagnostik und Therapie koronarkranker Patienten ab.

Fazit:Es gibt Patienten bei denen allein Klinik und Belastungs-EKG für die Indikation zur Koronarangiographie ausreichend sind, doch entscheidend für den “diagnostischen Pfad” ist die Expertise des Untersuchers.