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Deutscher Herzbericht 2016: Behandlung von koronaren Herzkrankheiten ist Erfolgsgeschichte der modernen Herz-Medizin

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Auf Durchblutungsstörungen zurückzuführende Krankheiten wie der akute Herzinfarkt, Angina Pectoris und chronische ischämische Herzerkrankungen bilden die größte Gruppe von Herzkrankheiten. Männer sind davon deutlich häufiger betroffen als Frauen und haben zudem die schlechtere Prognose, zeigt der aktuelle „Deutsche Herzbericht 2016“. Dass bei diesen Verschlusskrankheiten die Sterblichkeit seit Jahren massiv abnimmt, ist den Fortschritten in der modernen Herz-Medizin zu verdanken.

Berlin/Düsseldorf, Mittwoch 25. Januar 2017 – Die Behandlung koronarer Herz-erkrankungen (KHK) zählt zu den größten Erfolgsgeschichten der deutschen Herz-Medizin. Das bestätigt der heute in Berlin vorgestellte „Deutsche Herzbericht 2016“ auf eindrucksvolle Weise. „Der Bericht zeigt eine über Jahre belegbare kontinuierliche Reduktion der Sterblichkeit bei KHK“, betonte bei der Präsentation der Daten der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Prof. Dr. Hugo Katus (Heidelberg).

Rückgang bei KHK: Ausbau der ambulanten Versorgung und Prävention wirkt

Die Zahl der KHK-bedingten Krankenhausaufnahmen ist seit dem Jahr 2000 rückläufig. 2015 wurden in Deutschland 657.817 Patienten mit koronaren Herzerkrankungen – dazu zählen unter anderem Angina Pectoris, der akute Herzinfarkt oder chronische ischämische Herzkrankheiten – zur stationären Behandlung aufgenommen. Das sind 800,5 Fälle pro 100.000 Einwohner und damit um 1,86 Prozent weniger als im Jahr davor. Auch die Zahl der akuten Herzinfarkte war leicht rückläufig. 219.217 Fälle wurden 2015 in ganz Deutschland mit dieser Diagnose aufgenommen – das entspricht 266,8 Fällen pro 100.000 Einwohner und einem Rückgang um 1,29 Prozent im Vergleich zu 2014. 1995 bis 2015 ist insgesamt ein Rückgang der stationären Morbiditätsziffer der ischämischen Herz-krankheiten um 18,1 Prozent zu verzeichnen. „Diese positiven Entwicklungen sind auf den Ausbau der ambulanten Diagnostik und Therapie zurückzuführen, zeigen aber auch die Erfolge der verbesserten Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten“, analysiert Prof. Dr. Albrecht Elsässer (Oldenburg), Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK).

Männer sind öfter und schwerer betroffen

Deutlich öfter sind Männer von den verschiedenen Formen der Atherosklerose der Herzkranzgefäße betroffen. Mit 67,7 Prozent entfallen mehr als zwei Drittel der stationären Fälle auf Männer, bei den chronisch ischämischen Herzkrankheiten sind es sogar 73,1 Prozent. Aber auch Frauen sind massiv von koronaren Herzkrankheiten betroffen: Herzinfarkt wird bei Frauen unter 60 Jahren viel häufiger diagnostiziert als Brustkrebs.

Männer haben, anders als bei anderen Herzkrankheiten, auch eine deutlich schlechtere Prognose. So betrug die Sterbeziffer – also die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner – 2015 bei Frauen 137,1, bei Männern lag dieser Wert um 18,02 Prozent darüber bei 161,8. Besonders ausgeprägt ist der Geschlechterunterschied beim akuten Herzinfarkt: Bei Männern lag die Sterbeziffer mit 68,3 pro 100.000 Einwohner gleich um 34,45 Prozent höher als bei Frauen.

Rückgang der Herzinfarkt-Sterblichkeit um 44,79 Prozent in zweieinhalb Jahrzehnten

Gesamt betrachtet dokumentiert der „Deutsche Herzbericht 2016“ gerade im Kapitel über die koronaren Herzerkrankungen die eindrucksvolle Erfolgsgeschichte der Herz-Medizin. Besonders deutlich wird das beim akuten Herzinfarkt: Im Vergleich zu 1990, als noch 107,4 Patienten pro 100.000 Einwohner nach dieser Diagnose verstarben, lag die Sterbeziffer 2014 bei 59,3. „Der Rückgang der Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt um 44,79 Prozent in zweieinhalb Jahrzehnten resultiert vor allem aus den Verbesserungen der strukturellen und therapeutischen Maßnahmen in den Krankenhäusern“, sagt Prof. Elsässer. „So wurden neue Techniken zur Wiedereröffnung der verschlossenen Blutgefäße eingeführt und der Zeitraum vom Eintreffen im Krankenhaus bis zur lebensrettenden Katheter-Behandlung (‚Pforte-Ballon-Zeit‘) konnte deutlich verkürzt werden“. Zudem trugen auch Optimierungen im Rettungs- und Notarzt-System zur Senkung der Mortalität bei.

Mit der Erfindung der Troponin-Messung im Jahr 1986 haben DGK-Präsident Prof. Katus und seine Mitarbeiter in Heidelberg ganz wesentlich zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen. Dabei werden Proteine nachgewiesen, die nach einem Infarkt aus den Muskelzellen des Herzens ins Blut freigesetzt werden. Damit lässt sich ein Infarktgeschehen auch dann nachweisen, wenn ein EKG keine Auffälligkeiten zeigt.

Kathetertechnik senkt die Sterblichkeit

Patienten mit Herzinfarkt werden heute primär mit Hilfe der Kathetertechnik behandelt. In den meisten Fällen kann gleich im Anschluss an die diagnostische Linksherz-katheteruntersuchung (LHK) eine Aufdehnung der verschlossenen Gefäße mittels eines Ballonkatheters (Perkutane Koronarintervention, PCI) durchgeführt werden. Diese Art der Wiedereröffnung hat im Vergleich zur ausschließlich medikamentösen Blutgerinnsel-Auflösung (Thrombolyse) zu einer deutlichen Senkung der Sterblichkeit geführt: Starb vor einigen Jahren noch etwa jeder zehnte Patient, der das Krankenhaus nach einem akutem Herzinfarkt erreichte, beträgt die Sterblichkeit heute 8,5 Prozent.

2015 wurden insgesamt 799.024 stationäre LHK-Untersuchungen durchgeführt, 1,3 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Zahl der Ballon-Dilatationen stieg im gleichen Zeitraum um 3,7 Prozent. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe „Daraus eine Überversorgung abzuleiten, wäre aber mit Sicherheit falsch“, sagt Prof. Elsässer. „Hauptursache dieser Entwicklung ist die zunehmende Multimorbidität der alternden Bevölkerung.“

Stents ersparen belastende Bypass-Operationen

Mehr als neun von zehn Patienten, bei denen ein verschlossenes Gefäß mittels PCI aufgedehnt wurde, erhalten im Anschluss einen Koronar-Stent. 2015 wurden 333.609 solcher gefäßstützenden Mini-Implantate eingesetzt, um 3,02 Prozent mehr als im Jahr davor. In 3,7 Prozent der Fälle kamen dabei neue, bioabsorbierbare Stents zum Einsatz, die sich nach einiger Zeit von selbst auflösen. Danach, so die Erwartung, würden die geschädigten Blutbahnen ein „positives Remodelling“ erfahren und zur alten Leistungsfähigkeit zurückfinden. Bei einem im Vorjahr präsentierten Dreijahres-Vergleich hat sich diese Hoffnung allerdings nicht erfüllt. Nicht nur hatte sich die motorische Funktion der Gefäße im Vergleich mit traditionellen Implantaten nicht verbessert, es traten auch mehr Komplikationen auf.

Insgesamt aber ist die Stent-Technik aus der modernen Kardiologie nicht mehr wegzudenken: „Der Einsatz von Stents zum Offenhalten verengter oder verschlossener Blutgefäße hat, gemeinsam mit innovativen plättchenhemmenden Therapien zur Blutgerinnsel-Auflösung und einer immer besseren medikamentöse Begleittherapie, wesentlich zur Reduktion der Sterblichkeit nach Herzinfarkten beigetragen“, erklärt Prof. Elsässer.

Mittlerweile hat sich die Kombination von Katheteruntersuchung, Ballon-Aufdehnung und abschließender Stent-Implantation sogar so weit bewährt, dass vielen Patienten dadurch eine belastende Bypass-Operation erspart werden kann. Wie der Vergleich der Fallzahlen zeigt, steigt die Zahl der chirurgischen Eingriffe seit Jahren langsamer als die der Katheter-Interventionen. Standen 2004 einer Bypass-Operation 4,27 Ballon-Aufdehnungen gegen-über, wurden verschlossene Herzgefäße 2015 bereits neunmal häufiger mit minimal-invasiver Technik behoben. „Zwischen Herzchirurgen und Kardiologen besteht Konsens darüber, dass jedem Koronarpatienten das jeweils für ihn beste Verfahren angeboten werden sollte“, so Prof. Elsässer.

Chest Pain Units sollen die Behandlung weiter optimieren

Die nächsten Initiativen der DGK zur Verbesserung der herzmedizinischen Versorgung: „Patienten mit akutem Thoraxschmerz sind Hochrisikopatienten, die rasch und kompetent diagnostiziert und therapiert werden müssen“, so DGK-Präsident Prof. Katus. „Die DGK hat deshalb das Konzept der Chest Pain Units, das erstmalig 2004 in Heidelberg aufgebaut wurde, nun national weiter entwickelt und sichert durch einen standardisierten Zertifizierungsprozess eine optimale Qualität in der akuten stationären Versorgung herzkranker Patienten. Inzwischen wurden auch im niedergelassenen Bereich spezielle Brustschmerz- Ambulanzen für die Akutversorgung eingerichtet.“

 

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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit heute mehr als 9.800 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.