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Neue Therapie-Empfehlungen für Schwangere mit kardiovaskulären Erkrankungen

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Statement Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek,Direktorin des Gender in Medicine an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, 26. April 2019 

Nicht wenige Patientinnen mit Herzerkrankungen sind während ihrer Schwangerschaft einem höheren Risiko ausgesetzt als gesunde Frauen. Mit einer Prävalenz von 5-10% ist Bluthochdruck die häufigste Herz-Kreislauferkrankung während der Schwangerschaft in Europa, während in 1-4% der Fälle eine andere mütterliche kardiovaskuläre Erkrankung die Schwangerschaft kompliziert. Bei geschätzt ca. 780.000 Geburten im Jahr sind damit 78.000 Frauen betroffen.

Intensive Aufklärungsarbeit verschiedener Stiftungen und Berufsorganisationen hat dazu beigetragen, dass inzwischen vor allem EMAH-Kardiolog*Innen und Gynäkolog*Innen auf die Herausforderungen einer Schwangerschaft bei herzkranken Patientinnen eingehen. Die Aufklärung sollte aber weiter vorangetrieben werden. Dabei ist die neue Leitlinie für kardiovaskuläre Erkrankungen in der Schwangerschaft von besonders großer Bedeutung. Sie fordert eine Risikoeinschätzung und Beratung vor der Schwangerschaft für alle Frauen im gebärfähigen Alter, die an bekannten angeborenen Herzfehlern sowie bekannten oder vermuteten erworbenen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Aorta leiden.

Zu den wichtigen Neuerungen dieser Leitlinie gehört die starke Betonung der WHO-Klassifikation zur Einschätzung des mütterlichen Risikos, das ebenso vor einer geplanten assistierten Reproduktionstherapie gilt. Darüber hinaus ist die Einführung eines Schwangerschaftsherzteams von großer Bedeutung. Ein solches Team aus Kardiolog*Innen, Gynäkolog*Innen, Anästhesist*Innen und eventuell auch Neonatolog*Innen und Herzchirurg*Innen sollte in großen Kliniken vorgehalten werden, damit sich Ärzt*Innen und Schwangere bei Bedarf an dieses Team wenden können. Alle Risikoschwangerschaften, dazu gehören auch alle Schwangerschaften bei Patientinnen mit mechanischen Herzklappen, sollten unter Einbezug eines solchen Teams geplant werden.

Im Bereich der Herzklappenerkrankungen und der Thromboseprophylaxe bei Frauen mit mechanischen Klappenprothesen unterscheiden wir erstmals zwischen Frauen mit hohem und niedrigem Marcumar-Bedarf, um die Ziel-INR Werte zu erreichen. Im ersten Fall sollte im ersten Trimester auf Heparin (LMWH oder UFH mit entsprechenden Kontrollen) umgestellt werden, im zweiten Fall, bei niedrigem Marcumar-Bedarf, wird angeraten, das Medikament weiter zu geben. Für die Therapie der seltenen peripartalen Kardiomyopathie zeigen neue Studienergebnisse mit Bromocriptin positive Effekte, so dass sich in diesem Bereich eine Verbesserung bei der Behandlung der lebensgefährlichen Erkrankung abzeichnet.

Bei akuten Koronarerkrankungen sowie Herzinfarkten haben sich nach den Expertenmeinungen die Vorbehalte gegen DES (im Vergleich zu BMS) reduziert, obwohl dafür keine harten Daten vorliegen. Bei Patientinnen mit Arrhythmien wurde ein konkretes Überwachungssystem in Abhängigkeit vom Risiko vorgeschlagen. Bei Patientinnen mit Prä-Eklampsie wird eine Prävention mit Aspirin empfohlen und bei adipösen hypertensiven Patientinnen eine Kontrolle und Limitation der Gewichtszunahme angeraten. Bei der Diagnose und Behandlung tiefer Venenthrombosen gab es Veränderungen – es zeichnet sich ab, dass D-Dimere für die Diagnostik weniger zuverlässig sind als früher angenommen und es werden bildgebende Verfahren empfohlen.

Kontrazeptiva mit Ethinylestradiol haben das höchste Risiko für Thrombosen und sollten daher Frauen mit einem hohen Thromboserisiko nicht empfohlen werden. Sie können auch den Blutdruck erhöhen und sind daher bei vorbestehender Hypertonie kontraindiziert. Kontrazeptiva, die lediglich Gestagene beispielsweise Desogestrel enthalten, sind dagegen neutral in Bezug auf Gerinnungsfaktoren, Blutdruck und Blutfette.

Auch bei der Auflistung der Medikamente für schwangere herzkranke Frauen gibt es Neuerungen. Bereits im Juni 2015 wurde die bisher verwendete FDA-Klassifikation (A – X Kategorien) durch die sogenannte „Pregnancy and Lactation Rule“ (PLLR) ersetzt. Die PPLR umfasst jetzt eine deskriptive Risikozusammenfassung für jedes Medikament und detaillierte Informationen zu Tierdaten und klinischen Studien. Die Leitlinienkommission hat sich daraufhin entschieden, Medikamente, die in der Leitlinie von 2011 noch nicht aufgeführt waren, nach den neuen Vorgaben zu beschreiben. Konkret heißt das, dass die bekannten Daten zu klinischen Studien und Tierexperimenten angegeben werden.

Ein Schwangerschaftsabbruch sollte diskutiert werden, wenn ein sehr hohes Risiko für mütterliche oder fetale Sterblichkeit, oder schwere Missbildungen besteht. Dabei sind sowohl medikamentöse als auch operative Verfahren wirksam und gehen mit ähnlichen Komplikationsraten einher. Risikopatientinnen sollten aber in einem erfahrenen Zentrum behandelt werden. Wichtig ist auch, dass Frauen mit Herzerkrankungen vor einer geplanten assistierten Reproduktionstherapie eingehend beraten werden.