Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Adipositas-Chirurgie: In Deutschland wird die Chance auf diesen lebensrettenden Eingriff 30 Mal seltener genutzt als in anderen Ländern

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Mittels Magenbypass oder Magenverkleinerung können bei extrem Übergewichtigen 60 bis 80 Prozent des Übergewichts samt Begleiterkrankungen beseitigt werden. Rund 1,4 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Body Mass Index über 40 könnten von so einem Eingriff profitieren. Experten kritisieren allerdings den äußerst restriktiven Umgang der Krankenkassen mit diesen lebensrettenden Operationen. 

Mannheim, 6. April 2018 – „Wir können extrem übergewichtigen Menschen mit einem Body Mass Index über 40, bei denen alle anderen Möglichkeiten der Gewichtsabnehme erfolglos ausgeschöpft wurden, heute mit chirurgischen Verfahren effektiv helfen. Mit Methoden wie einem Magenbypass oder einer Magenverkleinerung lässt sich eine Reduktion von 60 bis 80 Prozent des Übergewichts erreichen“, berichtet Prof. Dr. Dieter Birk (Bietigheim-Bissingen), auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim. Nach fast 15 Jahren angewandter Adipositas-Chirurgie wissen wir mittlerweile auch, dass diese Hilfe nachhaltig ist und diese Effekte auch zehn Jahre nach der Operation erhalten bleiben. Mehr noch: Mit dem Übergewicht verschwinden bei vielen Patienten auch die Begleiterscheinungen. Das Herz-Kreislaufsystem reagiert auf die Entlastung mit deutlichen Verbesserungen.“ Bei 70 bis 80 Prozent der Patienten, die vor der Operation weniger als fünf Jahre an Diabetes gelitten haben, kommt es innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Operation zu einer vollständigen Remission (zeitweises oder dauerhaftes Nachlassen), die sie ohne Insulin auskommen lässt.

Prof. Birk: „In Deutschland gehen wir davon aus, dass rund 1,4 Millionen Menschen einen Body Mass Index über 40 haben. In diesem Stadium von einer schweren Erkrankung zu sprechen, ist keineswegs übertrieben.“ Vor diesem Hintergrund sei es mehr als fragwürdig, dass diese Option immer noch vergleichsweise selten genutzt wird. „Aktuell führen wir in den rund 50 zertifizierten Adipositas-Zentren gerade einmal 10.000 solcher Eingriffe pro Jahr durch“, sagt Prof. Birk. „In Österreich, der Schweiz, Frankreich oder Belgien sind es – umgelegt auf die Bevölkerungszahlen – zehn- bis 30mal mehr.“

Das liege zum einen daran, dass schätzungsweise nur jeder fünfte Betroffene den Ernst seiner Lage erkennt und bereit ist, sich einer solchen – heute laparoskopisch durchgeführten und risikoarmen – Operation zu unterziehen. „Das zeigt uns, dass wir die Aufklärungsbemühungen sowohl auf ärztlicher Seite wie auch in der Gesundheitspolitik allgemein deutlich verstärken müssen“, sagt Prof. Birk. „Nach wie vor ist die Behandlung einer Adipositas im Abrechnungskatalog gar nicht vorgesehen.“

Krankenkassen verweigern oft lebensrettende Therapie 

Noch viel mehr seien die geringen Fallzahlen aber dem äußerst restriktiven Umgang der Krankenkassen mit dem Thema geschuldet. Obwohl die operative Behandlung in diesem Stadium in den gültigen Leitlinien ganz klar vorgesehen ist und jeder Kandidat ohnehin vor der Operation von einem interdisziplinären Medizinerteam begutachtet werden muss, werden die meisten Einzelfallgenehmigungen zunächst einmal verweigert – oft aus fadenscheinigen Gründen. Prof. Birk: „Aus medizinischer Sicht ist das nicht nachvollziehbar und absolut inakzeptabel: Ein BMI von 40 in Kombination mit einer kardiovaskulären Erkrankung und einem Diabetes reduziert die Lebenserwartung etwa so wie ein Dickdarmkarzinom – das selbstverständlich in jedem Fall und ohne vorherige Prüfung durch die Kassen operiert wird.“

Prof. Birks Appell richtet sich an die Betroffenen selbst: „Solange dieser inakzeptable Zwang zur Einzelfallgenehmigung besteht, lohnt es sich, gegen abschlägige Entscheidungen vorzugehen. Wie die Praxis zeigt, reicht oft ein einziger Brief eines Anwalts, um die Gremien zum Umdenken zu bewegen. Und wer solche Bescheide vor den zuständigen Sozialgerichten bekämpft, bekommt in neun von zehn Fällen Recht – und damit die Chance auf eine lebensrettende Behandlung.“

Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Hauptstadtbüro der DGK: Tel.: 030 206 444 82
Pressestelle: Kerstin Kacmaz, Tel.: 0211 600 692 43
Pressebüro während der 84. Jahrestagung: 0641 4106 5002
presse@dgk.org
B&K–Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung, Dr. Birgit Kofler, Tel.: +43 (0) 676 6368930
kofler@bkkommunikation.com

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org