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Herzklappenerkrankungen: TAVI-Methode hat sich etabliert, neue ESC-Leitlinien regeln Patientenauswahl und Rahmenbedingungen

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Statement Prof. Dr. Albrecht Elsässer (Oldenburg), Vorsitzender AG Interventionelle Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK); DGK-Pressekonferenz 12. Oktober 2017

Bei einer Aortenklappen-Stenose sind die Klappensegel in der Regel degeneriert und deshalb in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt. Die Folge ist eine reduzierte Öffnungsfähigkeit, sodass zum einen sich das Blut in der linken Herzkammer staut und zum anderen weniger Volumen in den Blutkreislauf gelangt. Je nach Schweregrad geraten davon betroffene Menschen rasch in Atemnot, es können Schwindelgefühle bis hin zu Ohnmachtsattacken unter Belastungen und Schmerzen im Brustkorb auftreten. Aufgrund der verringerten Klappenöffnung muss der Herzmuskel das Blut gegen einen erhöhten Widerstand in den Körper pumpen. Diese vermehrte Beanspruchung führt im Verlauf zu einer Funktionsstörung sowie -einschränkung des Herzens.

Bei Patienten mit Aortenklappen-Stenose besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit, die Aortenklappe mithilfe einer Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) durch eine künstliche Klappe zu ersetzen. Das erfolgt schonend und wenig eingreifend mittels eines Harzkatheters („interventionelle Kardiologie“).

Die TAVI-Methode hat sich in den USA und in Europa fulminant durchgesetzt. Wesentlich dazu beigetragen haben auch große randomisierte Studien, die TAVI mit einem operativen Vorgehen verglichen haben. In Deutschland wurden 2008 637 TAVI-Prozeduren durchgeführt, 2015 waren es bereits über 13.100.

Klassische Chirurgie oder TAVI? Neue Leitlinien erleichtern Entscheidung

Studien belegen, dass die TAVI für eine Vielzahl von Patienten mit einer relevanten Aortenklappenstenose die geeignetere Behandlungsmethode im Vergleich zur klassischen Herzchirurgie mit eröffnetem Brustkorb und dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine darstellt. TAVI wird die Chirurgie wohl nicht komplett ersetzen, doch sind wir Kardiologinnen und Kardiologen froh darüber, dass nunmehr zwei unterschiedliche Konzepte zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen zur Verfügung stehen.

Neue Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) legen jetzt fest, für welche Patienten die jeweilige Methode besser geeignet ist, welche Qualifikationen es für die Anwendung braucht und welche Voraussetzungen Herzzentren dafür erfüllen sollten.

Wer für TAVI besonders gut geeignet ist

Als besonders erfolgreich erwies sich die TAVI ursprünglich bei Patienten, die für eine Operation nicht infrage kommen. Das sind Patienten, die älter als 80 Jahre sind und aufgrund zusätzlicher Erkrankungen ein hohes Operationsrisiko haben. TAVI ist in diesen Fällen auch erfolgreicher als medikamentöse Therapien.

Studien zeigen inzwischen jedoch, dass die TAVI auch eine gleichwertige Option für Patienten darstellt, die ein mittleres Operationsrisiko bzw. bereits einen operativen Eingriff am Herzen hinter sich gebracht haben.

Da eine TAVI weit weniger invasiv und belastend ist als der herzchirurgische Eingriff, ist sie also bei Hochrisikopatienten und bei Betroffenen mit mittlerem Operationsrisiko das Mittel der Wahl, insbesondere, wenn eine sogenannte Porzellanaorta oder Gebrechlichkeit („frailty“) vorliegt oder wiederholte Bestrahlungen im Brustbereich durchgeführt wurden.

Noch nicht endgültig geklärt ist, ob Patienten mit niedrigem Operationsrisiko ebenfalls Kandidaten für eine TAVI sind. Erste Studien zeigen, dass bei dieser Patientengruppe die Methoden gleichwertig sind, tendenziell aber die TAVI besser abschneidet. Für eine endgültige Empfehlung bedarf es noch zusätzlicher Daten.

Grundsätzlich sollte die Wahl der Behandlungsmethode immer unter Berücksichtigung des Befindens und des Gesamtzustandes des Patienten erfolgen.

Ungeklärte Haltbarkeit von TAVI

Obwohl sich die TAVI zunehmend als sicher erweist, herrscht noch Unklarheit über die Haltbarkeit der implantierten Klappen. Bei den bisherigen klinischen Ergebnissen gab es wenige Probleme und es gibt keine Hinweise darauf, dass die Lebensdauer der TAVI-Klappen kürzer wäre als die herzchirurgisch eingesetzten Prothesen. Aber wir haben eben noch wenige Langzeitdaten, weil es die TAVI noch nicht so lange gibt.

Herzklappen-Teams müssen verschiedenste Eingriffe beherrschen

Die ESC-Leitlinien empfehlen, dass die Behandlungen nur von einschlägig qualifizierten Teams durchgeführt werden sollen. Diese „Heart Valve-Teams“ müssen nicht nur Vitien der Aorten-, sondern auch Mitral- und auch Trikuspidal-Klappen behandeln können. Die Leitlinien fordern zudem, dass solche multidisziplinären Teams für Klappen- und Aortenchirurgie sowie für Re-Operationen gleichermaßen kompetent sein sollten.  Aber auch Transkatheter-Techniken zur Behandlung der Aorten- und Mitralklappe, auch für Re-Interventionen, müssen vom Team beherrscht werden.

Die neuen Leitlinien fordern standardisierte Abläufe in Diagnostik und Therapie: Die Algorithmen zur Entscheidungsfindung müssen klar definiert sein. Im Bereich der Bildgebung wird der routinemäßige Einsatz modernster Verfahren – von der 3D-Echokardiographie über Herz-CT und -MRT bis gegebenenfalls zu nuklearmedizinischen Verfahren – gefordert. Zudem sollten alle Daten bezüglich der Eingriffe gesammelt und hinsichtlich Mortalität und Komplikation regelmäßig bewertet werden. Alle Ergebnisse sollten außerdem in eine nationale und europäische Datenbank zur Qualitätssicherung eingegeben werden.

Neue Möglichkeiten bei Mitralklappen-Insuffizienz

Bei symptomatischen Patienten mit einer schweren primären Mitralklappen-Insuffizienz kann eine perkutane Edge-to-Edge Prozedur durchgeführt werden, wenn die echokardiographischen Kriterien für die Durchführbarkeit gegeben sind und eine Inoperabilität bzw. ein hohes operatives Risiko vorliegen.

Wenn Patienten mit einer der sekundären Mitralklappen-Insuffizienz und einer globalem Herzleistung von weniger als 30 Prozent trotz optimaler medikamentöser Therapie (einschließlich auch einer indizierten kardialen Resynchronisationstherapie) weiter über Beschwerden klagen und ein erhöhtes Operationsrisiko haben, dann besteht die Indikation zu einer perkutanen Klappenintervention.

Besonders gefordert ist das „Heart Valve-Team“ bei der Therapieentscheidung bei Patienten mit sekundärer Mitralklappen-Insuffizienz und einer kardialen Ejektionsfraktion von weniger als 30 Prozent. Hier muss unter Berücksichtigung der individuellen Patienten–Charakteristika gemeinsam entschieden werden, welche Intervention durchgeführt werden sollte. Aufgrund der geringen Invasivität und niedrigen Komplikationsrate bietet sich hier die perkutane Edge-to-Edge Prozedur an.

Zukunft der Klappen-Behandlung

Zum Abschluss noch ein Ausblick auf die Zukunft der Behandlung von Herzklappenerkrankungen: Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren die transvaskulären TAVI-Prozeduren als sicher gelten werden und wir das Konzept auch bei Patienten mit niedrigem Risiko anwenden werden. Bei der Mitralklappe gibt es zahlreiche neue interventionelle Behandlungskonzepte, die bis hin zum kompletten Ersatz gehen. Als weiterer Fokus der interventionellen Therapie wird sich in den kommenden Jahren die Korrektur von Trikuspidalklappenvitien zeigen. Die Leitlinien werden also in fünf Jahren wesentlich umfangreicher sein als heute.

Informationen:

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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org