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Altersabhängigkeit der diagnostische Wertigkeit von hochsensitiv gemessenen Troponin T Werten in Notaufnahmepatienten

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Anna Slagmann, Berlin

Die Messung des kardialen Troponin ist ein wesentlicher Bestandteil des aktuellen Standardvorgehens bei Patienten mit Verdacht auf ein Akutes Koronarsyndrom (AKS) in der Notaufnahme. Dies betrifft insbesondere Patienten ohne diagnostische EKG-Veränderungen mit der Verdachtsdiagnose eines Akuten Koronarsyndroms ohne ST-Hebung (NSTE-ACS). In den Leitlinien zur klinischen Evaluation dieser Patienten wird die Verwendung hoch-sensitiver Tests empfohlen. Diese Tests ermöglichen den Nachweis und auch die Quantifizierung von kardialem Troponin bereits in gesunden Probanden und der Grenzwert für die Diagnose eines Akuten Myokardinfarktes (AMI) ist die 99te Perzentile eines gesunden Referenzkollektivs. Die Implementierung von Geschlechts- und Alters-abhängigen Grenzwerten zur Beurteilung des kardialen Troponin wird aktuell unter wissenschaftlichen Experten diskutiert, bisher wurden jedoch keine Handlungsempfehlungen für die klinische Anwendung adaptierter Grenzwerte entwickelt und veröffentlicht. Das Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung der diagnostischen Wertigkeit von alters-abhängigen Troponingrenzwerten für die Diagnose eines Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarktes (NSTEMI) in Patienten mit routinemäßiger Troponinbestimmung in der Notaufnahme.

Alle Patienten, welche sich in der Notaufnahme der Charité Universitätsmedizin Berlin am Campus Virchow Klinikum vorstellten und eine routinemäßige Bestimmung von kardialem Troponin erhielten, wurden eingeschlossen. Der Patienteneinschluss erfolgte in zwei Zeiträumen: 11. Oktober 2012 bis 18. März 2013 und 19. August bis 30. November 2013. Alle verfügbaren Routinedaten dieser Patienten wurden automatisiert aus dem Krankenhausinformationssystem extrahiert. Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt, primär chirurgische Patienten und Patienten mit fehlenden hoch-sensitiv gemessenen Troponinwerten wurden von der Analyse ausgeschlossen. Insgesamt wurden 3.423 Patienten ausgewertet. Kardiales Troponin T wurde bei Aufnahme mit einem hoch-sensitiven Test gemessen (hsTnT; Roche Diagnostics). Die Auswertung erfolgte anhand von vier Altersstrata: < 50 Jahre, 50-64 Jahre, 65-74 Jahre und ≥75 Jahre. Es wurden verschiedene Grenzwerte analysiert: Die 99te Perzentile einer gesunden Referenzpopulation (14 ng/L) und prospektiv festgelegte höhere Grenzwerte aus der Literatur (30 ng/L und 50 ng/L). Der primäre Endpunkt war die Krankenhaushauptdiagnose NSTEMI (ICD-codes I21.4 und I21.9) auf Basis aller zur Verfügung stehender Befunde.

Das Studienkollektiv bestand aus 3.423 Patienten. Der überwiegende Anteil der Patienten war männlichen Geschlechts (57,2%, n=1.959) und das mediane Alter war 61 Jahre (Interquartilsabstand (IQR): 45-73 Jahre). Von allen Patienten waren 31,4% (n=1.074) unter 50 Jahre alt, 25,9% (n=888) waren zwischen 50 und 64 Jahren alt, 22,1% (n=758) waren zwischen 65 und 74 Jahren alt und 20,5% (n=703) waren 75 Jahre oder älter. Das Hauptsymptom bei Aufnahme war unspezifisch bei 44,9% der Patienten (n=1.507), Brustschmerz bei 32,2% (n=1.103) und Luftnot bei 13,9% (n=476). Messbare hsTnT-Werte (>5ng/L) konnten in 71,6% der Patienten nachgewiesen werden (n=2.451). Die Enddiagnose NSTEMI trat mit einer Häufigkeit von 3,6% (n=124) in dem untersuchten Patientenkollektiv auf und war häufiger in höheren Altersgruppen. Die Häufigkeit intrahospitaler Prozeduren aller Patienten mit NSTEMI sind in Abbildung 1 dargestellt. Der Anteil an durchgeführten Koronarangiografien unterschied sich nicht zwischen den verschiedenen Altersstrata und war konstant hoch bei ca. 90%. Perkutane Koronare Interventionen wurden jedoch bei älteren Patienten (≥75 Jahren) vergleichsweise seltener durchgeführt. Die Verteilung der Troponinwerte in den verschiedenen Altersstrata ist in Abbildung 2 für Patienten ohne NSTEMI dargestellt (n=3.299). Es zeigte sich eine Tendenz zu steigenden hsTnT-Werten mit zunehmendem Alter der Patienten: Bei Patienten zwischen 65 und 74 Jahren lagen bereits ca. 50% der hsTnT-Werte oberhalb des in den Leitlinien empfohlenen Grenzwertes von 14 ng/L und waren damit fälschlicherweise positiv, bei Patienten ≥ 75 Jahren betraf dies bereits ca. 75% der Patienten. Die Fläche unter der ROC-Kurve (Receiver Operating Characteristics Kurve), als Maß der diskriminierenden Eigenschaften von hsTnT, sank mit zunehmendem Alter: Die höchste Fläche unter der ROC-Kurve für hsTnT fand sich bei Patienten < 50 Jahren (0,915; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,772-1,000). Die Fläche unter der ROC-Kurve bei Patienten zwischen 50 und 64 Jahren lag bei 0,938 (95%-KI: 0,905-0,971) und bei 0,893 (95%-KI: 0,842-0,945) bei Patienten zwischen 65 und 74 Jahren. Patienten ≥ 75 Jahren zeigten die niedrigsten Fläche unter der ROC-Kurve mit 0,827 (95%-KI: 0,742-0,912). Die diagnostische Wertigkeit (Sensitivität, Spezifität, positiver prädiktiver Wert und negativer prädiktiver Wert) der verschiedenen Grenzwerte in Altersstrata ist in Tabelle 1 dargestellt.

Die diagnostische Wertigkeit von hsTnT bei Aufnahme variiert in verschiedenen Altersgruppen: Insbesondere die diskriminierenden Eigenschaften (AUROC), wie auch Spezifität und positiver prädiktiver Wert sinken mit steigendem Alter. Auch die Interventionsquote ist bei älteren Patienten niedriger. Die Verwendung alters-stratifizierter Grenzwerte könnte gegebenenfalls zu einer Optimierung der Indikation zur Koronarangiographie beitragen. Um ein adäquates diagnostisches Verfahren und eine dementsprechende Behandlung für alle Patienten mit Verdacht auf NSTE-ACS sicherstellen zu können sollte ein altersadaptierter und klinisch anwendbarer Algorithmus Gegenstand weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen sein.

  Sensitivität %

(95%-KI)

Spezifität %

(95%-KI)

PPV %

(95%-KI)

NPV %

(95%-KI)

< 50 years of age (n=1,074)
hs-cTnT > 14 ng/L 88,89 (51,75-99,72) 94,37 (92,81-95,67) 11,76 (5,22-21,87) 99,90 (99,45-100)
hs-cTnT > 30 ng/L 77,78 (39,99-97,19) 97,84 (96,78-98,63) 23,33 (9,93-42,28) 99,81 (99,31-99,98)
hs-cTnT > 50 ng/L 77,78 (39,99- 97,19) 98,59 (97,69-99,21) 31,82 (13,86-54,87) 99,81 (99,32-99,98)
50-64 years of age (n=888)
hs-cTnT > 14 ng/L 92,50 (79,61-98,43) 75,71 (72,68-78,56) 15,23 (10,95-20,37) 99,53 (98,65-99,90)
hs-cTnT > 30 ng/L 82,50 (67,22-92,66) 89,86 (87,63-91,81) 27,73 (19,92-36,68) 99,09 (98,13-99,63)
hs-cTnT > 50 ng/L 72,50 (56,11-85,40) 94,10 (92,30-95,59) 36,71 (26,14-48,31) 98,64 (97,58-99,32)
65-74 years of age (n=758)
hs-cTnT > 14 ng/L 97,06 (84,67-99,93) 52,49 (48,78-56,18) 8,75 (6,10-12,07) 99,74 (98,55-99,99)
hs-cTnT > 30 ng/L 79,41 (62,10-91,30) 81,63 (78,61-84,39) 16,88 (11,43-23,59) 98,83 (97,60-99,53)
hs-cTnT > 50 ng/L 64,71 (46,49-80,25) 90,47 (88,09-92,51) 24,18 (15,81-34,28) 98,20 (96,88-99,07)
≥ 75 years of age (n=703)
hs-cTnT > 14 ng/L 90,24 (76,87-97,28) 28,10 (24,70-31,69) 7,21 (5,13-9,80) 97,89 (94,70-99,42)
hs-cTnT > 30 ng/L 80,49 (65,13-91,18) 71,30 (67,69-74,72) 14,80 (10,41-20,15) 98,33 (96,74-99,28)
hs-cTnT > 50 ng/L 68,29 (51,91-81,92) 87,31 (84,53-89,75) 25,00 (17,30-34,07) 97,80 (96,27-98,82)

Tabelle 1 zeigt die diagnostische Wertigkeit von hsTnT an verschiedenen Grenzwerten in den analysierten Altersstrata. Abkürzungen: hsTnT – hoch-sensitiv gemessenes kardiales Troponin T; KI-Konfidenz Intervall; PPV – positiver prädiktiver Wert; NPV – negativer prädiktiver Wert

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org