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Innovative Therapien gegen hohen Blutfettspiegel

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Statement Prof. Dr. Ulrich Laufs, Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg; DGK-Pressekonferenz „Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, 31. März 2016, 9 Uhr 45

Neue Medikamente erleichtern die Behandlung eines erhöhten LDL-Cholesterin-Spiegels. Davon profitieren Menschen mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko, bei denen die maximal tolerierte Statin-Therapie alleine nicht ausreicht, um das LDL-Cholesterin ausreichend zu senken, oder die Statine nicht vertragen.

Erhöhte Blutfettspiegel (Hyperlipidämie), und hier besonders das LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein Cholesterin), stellen einen wichtigen Risikofaktor für Arterienverkalkungen (Arteriosklerose) und damit auch kardiovaskuläre Erkrankungen dar. Folglich profitieren Menschen mit erhöhten Blutfetten von einer LDL-Senkung. Dies gilt insbesondere dann, wenn es bereits zu kardiovaskulären Ereignissen wie zum Beispiel einem Herzinfarkt gekommen ist. Eine weitere Patientengruppe, deren Cholesterinspiegel auf jeden Fall behandelt werden muss, sind Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie. Dabei handelt es sich um eine genetische Störung, die mit extrem hohen LDL-Werten und einem entsprechend hohen Herzinfarktrisiko verbunden ist.

Für die Behandlung der Hyperlipidämie wurden von den medizinischen Fachgesellschaften Zielwerte definiert. Bei Personen mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko sollte der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zufolge ein LDL-Ziel von weniger als 70 mg/dl angestrebt werden. In diese Gruppe gehören unter anderem Menschen, die schon einmal einen Herzinfarkt hatten oder unter Typ II-Diabetes mellitus in Kombination mit koronarer Herzkrankheit leiden. Auch eine fortschreitende koronare Herzkrankheit bedeutet ein sehr hohes Risiko.

Mittel der Wahl zur Behandlung überhöhter Cholesterinspiegel sind Statine. Diese sind wirksam und für die meisten Behandelten gut verträglich. Eine wirksame Cholesterinsenkung und eine Senkung des kardiovaskulären Risikos durch Statine konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. Allerdings stößt die Behandlung in der Praxis an zwei Grenzen. Zum einen reicht die Wirkung nicht immer aus, um bei Hochrisikopatienten die Zielwerte zu erreichen. Zum anderen werden Statine von den meisten, aber eben doch nicht von allen Menschen gut vertragen. Diese Statinintoleranz äußert sich in der Regel in sehr unangenehmen Muskelschmerzen.

Statinintoleranz ist nicht einfach zu diagnostizieren. Es gibt keinen Labortest, der Sicherheit schafft. Stattdessen muss nach einem klinischen Algorithmus vorgegangen werden. Das Statin wird zunächst abgesetzt und beobachtet, ob die Muskelschmerzen ohne Statin vergehen. Ist dies der Fall, wird die Statin-Behandlung erneut begonnen, zunächst mit einer niedrigen Dosierung, die dann langsam auf die ideale Behandlungsdosis angehoben wird.

Besteht tatsächlich eine Statinintoleranz oder können Patienten mit der maximalen verträglichen Statindosis nicht auf den angestrebten Zielwert gebracht werden, gibt es mittlerweile zwei Alternativen bzw. ergänzende Therapien.

Ezetimib hemmt die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm und senkt nachweislich den LDL-Spiegel im Blut. Im Rahmen der IMPROVE-IT Studie (1) wurde nachgewiesen, dass es zu weniger Herzinfarkten kommt, wenn bei Hochrisikopatienten die Statin-Therapie mit Ezetimib ergänzt wird. Ezetimib eignet sich also für Patienten, die mit einem Statin alleine ihren Zielwert nicht erreichen.

Mit der neuen Gruppe der PCSK9-Inhibitoren haben wir seit kurzem eine neue Option, ungünstige Cholesterinspiegel zu behandeln. Die Verabreichung eines PCSK9-Inhibitors führt dazu, dass an der Zellmembran von Leberzellen mehr LDL-Rezeptoren aktiv sind und daher auch mehr LDL-Cholesterin abgebaut wird. Bei den PCSK9-Inhibitoren handelt es sich um Antikörper gegen ein Enzym, das am Abbau von LDL-Rezeptoren beteiligt ist. Wie alle anderen therapeutisch eingesetzten Antikörper müssen die PCSK9-Inhibitoren regelmäßig injiziert werden. Die ersten zugelassenen Vertreter dieser Gruppe haben sich in Studien in allen problematischen Patientengruppen mit hohen LDL-Spiegeln bewährt. Sie führen in Kombination mit Statinen zu einer massiven Reduktion des LDL-Spiegels, in der Regel um 50 bis 60 Prozent, sind bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie wirksam und können auch bei Menschen eingesetzt werden, die keine Statine vertragen.

Was allerdings noch fehlt, sind Endpunktstudien, in denen gezeigt wird, dass Patienten, die einen PCSK9-Inhibitor erhalten, nicht nur niedrigere Cholesterinspiegel, sondern tatsächlich ein geringeres Herzinfarktrisiko haben. Viele Experten nehmen an, dass das so sein wird. Denn PCSK9-Inhibitoren senken das LDL-Cholesterin deutlich und wir wissen, dass die LDL-Senkung mit Statinen alleine oder Statinen und Ezetimib auch das kardiovaskuläre Risiko reduziert. Mit Sicherheit wird man das erst wissen, wenn die entsprechenden Studien, die gerade laufen, publiziert sind.

Nicht zuletzt bleibt dann noch die Frage der Kosten. PCSK9-Inhibitoren sind teure Medikamente. Es sollte also sichergestellt sein, dass sie jenen Patienten verschrieben werden, die sie auch tatsächlich benötigen und die nicht ebenso gut mit einem Statin behandelt werden können. Das sind also Personen mit sehr hohem Risiko und hohem LDL-C, bei denen die Behandlung mit Statin und Ezetimib nicht zu einer Cholesterinsenkung führt, die ihrem kardiovaskulären Risiko angemessen wäre.

(1) Cannon CP et al. Ezetimibe Added to Statin Therapy after Acute Coronary Syndromes. N Engl J Med. 2015 Jun 18;372(25):2387-97