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Harnsäuresenkung zur kardiovaskulären Risikoreduktion?

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Statement Prof. Dr. Christian Holubarsch, Park-Klinikum Bad Krozingen 

DGK-Pressekonferenz, Freitag 7. Oktober 2016 

Die Hyperurikämie ist ein unterschätzter Risikofaktor: Es liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, in denen sich gezeigt hat, dass die Sterblichkeit mit der Konzentration der Harnsäure im Blut assoziiert ist. Allerdings handelt es sich durchweg um sogenannte Assoziationsstudien. Das heißt, sie liefern im streng wissenschaftlichen Sinne keinen Beweis in der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, aber doch einen deutlichen Hinweis.

Eine Assoziation erhöhter Harnsäurespiegel konnte mittlerweile für den Herzinfarkt, die Herzinsuffizienz, sowie für den Schlaganfall [1,2,3,4] gezeigt werden. Allerdings stellt sich angesichts dieser Daten die Frage nach der Kausalität, hier ist die Evidenzlage noch nicht überzeugend. Es gibt jedoch Studiendaten, die indirekte Hinweise liefern und doch dafür sprechen, dass ein kausaler Zusammenhang besteht.

So konnten Untersuchungen zeigen, dass bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Aktivität des Enzyms Xanthinoxidase, das für die Produktion von Harnsäure im Organismus erforderlich ist, gesteigert ist [5]. Diese Studie lieferte auch erste Hinweise, dass die Xanthinoxidase die Vasodilatation verhindert. Und dass endotheliale Dysfunktion der erste Schritt in Richtung koronare Herzkrankheit ist, wissen wir schon seit vielen Jahren. In einer kleinen Studie konnte auch demonstriert werden, dass eine Harnsäuresenkung mit Allopurinol zu einer Verbesserung der Endothelfunktion führt [6].

Was allerdings fehlt, sind gute Studien mit klinischen Endpunkten und adäquater Power. Die einzige randomisierte, kontrollierte Studie, die einen Einfluss der Harnsäuresenkung auf die Entwicklung einer Herzinsuffizienz zu zeigen versuchte, verlief aber negativ [7]. Allerdings hat eine post hoc Analyse gezeigt, dass Patienten mit hohen Harnsäurewerten und gutem Ansprechen auf die harnsäuresenkende Therapie auch kardiologisch von dieser profitieren. Auch Kohortenstudien legen eine günstige Wirkung einer Harnsäuresenkung auf die Herzinsuffizienz nahe [8]. Post hoc Analysen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Vor allem war die Studie jedoch zu klein, um belastbare Aussagen zu ermöglichen.

Letztlich werfen solche Ergebnisse vor allem die Frage auf, ob die in epidemiologischen Studien beobachteten Assoziationen von Harnsäure und Risiko kausaler Natur sind, oder ob die Harnsäure nicht vielleicht nur ein Marker für einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand ist.

In den ESC-Leitlinien zur Prävention wird die Harnsäure nicht erwähnt. Die Leitlinie zur Herzinsuffizienz erwähnt die Assoziation von Harnsäure und erhöhtem Risiko, betont aber, dass es aus kardiologischer Sicht keine Evidenz zu Nutzen und Risiken einer medikamentösen Harnsäuresenkung gibt. Es gibt auch keine Sicherheitsdaten. Unbestritten sinnvoll und indiziert ist die Harnsäuresenkung selbstverständlich bei Patienten mit Gicht.

Nun sollen große, kontrollierte Studien Klarheit schaffen. In der Studie CARES werden die kardiologischen Wirkungen von Allopurinol und Febuxostat in der Therapie der Gicht untersucht. Eine ähnliche Fragestellung verfolgt die Studie FAST. Seit 2014 läuft auch eine große Outcome-Studie mit kardiovaskulären Endpunkten, die Allopurinol mit Placebo vergleicht. Ergebnisse liegen noch nicht vor.

[1] Fang J, Alderman MH Serum uric acid and cardiovascular mortality the NHANES I epidemiologic follow-up study, 1971-1992. National Health and Nutrition Examination Survey. JAMA 2000; 283: 2404-2410

[2]  Niskanen LK et al. Uric acid level as a risk factor for cardiovascular and all-cause mortality in middle-aged men: a prospective cohort study. Arch Intern Med 2004; 164: 1546-1551

[3]  Anker SD Uric acid and survival in chronic heart failure: validation and application in metabolic, functional, and hemodynamic staging. Circulaton 2003; 107: 1991-1997

[4]  Kim SY et al. Hyperuricemia and risk of stroke: a systematic review and meta-analysis. Arthritis Rheum. 2009 Jul 15;61(7):885-92

[5]  Landmesser U et al. Vascular oxidative stress and endothelial dysfunction in patients with chronic heart failure: role of xanthine-oxidase and extracellular superoxide dismutase. Circulation. 2002 Dec 10;106(24):3073-8.

[6]  MercuroG et al. Effect of hyperuricemia upon endothelial function in patients at increased cardiovascular risk. Am J Cardiol 2004; 94: 932-935

[7] Hare JM et al. Impact of oxypurinol in patients with symptomatic heart failure. Results of the OPT-CHF study. J Am Coll Cardiol. 2008 Jun 17;51(24):2301-9

[8]  Gotsman I et al. Changes in uric acid levels and allopurinol use in chronic heart failure: association with improved survival. J Card Fail. 2012 Sep;18(9):694-701

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