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Verbesserung der Belastbarkeit und Lebensqualität durch eine perkutane Mitralklappenrekonstruktion mittels MitraClip bei Patienten mit Vorhofflimmern

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Dr. Christina Thomas, Hamburg

Die Mitralklappeninsuffizienz ist nach der Aortenklappenstenose die häufigste Erkrankung der Herzklappen in Europa1 und entsteht entweder im Rahmen degenerativer Prozesse des Klappenapparates oder infolge funktioneller Veränderungen, wie einer Dilatation des Mitralklappenannulus oder Funktionsverlust der Papillarmuskeln. Während ein herzchirurgisches Verfahren bei symptomatischer degenerativer (primärer) Mitralklappeninsuffizienz den therapeutischen Goldstandard darstellt, ist die Therapie der funktionellen (sekundären) Mitralklappeninsuffizienz weniger gesichert und dient insbesondere der symptomatischen Verbesserung2,3. Nahezu 50% der Patienten mit einer symptomatischen, schweren Mitralklappeninsuffizienz werden jedoch aufgrund einer eingeschränkten linksventrikulären systolischen Funktion, hohen Alters oder relevanter Komorbiditäten keinem operativen Verfahren zugeführt 4.

Die perkutane kathetergestützte Mitralklappenrekonstruktion mittels MitraClip stellt mittlerweile ein etabliertes Verfahren zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz dar, welches bei Patienten mit hohem Operationsrisiko sicher und effektiv durchführbar ist5. Entsprechend der aktuellen Herzinsuffizienz-Leitlinien kann es bei diesen Patienten nach Diskussion im Heart Team als Therapie-Option erwogen werden 2. Dieses Verfahren führt vor allem zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität und körperlichen Belastbarkeit 6.

Vorhofflimmern stellt mit einer Prävalenz von bis zu 67% eine häufige Komorbidität bei Patienten mit hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz dar7 und ist bei Patienten mit degenerativer Mitralklappeninsuffizienz unter konservativem Management mit einer erhöhten kardialen Mortalität und Morbidität verbunden8. Das Auftreten von Vorhofflimmern stellt daher in den aktuellen Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie eine Klasse IIa-Empfehlung für eine chirurgische Therapie bei diesen Patienten dar. Daneben zeigte eine Analyse der EVEREST II-Studie, dass das Vorliegen von Vorhofflimmern mit einem fortgeschrittenem Krankheitsstadium sowie vermehrten Komorbiditäten verbunden war, jedoch keinen Einfluss auf den Erfolg oder die Sicherheit der Prozedur hatte 9.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, den Einfluss von Vorhofflimmern auf die Effektivität und Sicherheit des MitraClip-Verfahrens, insbesondere auf die Lebensqualität und Belastbarkeit, zu untersuchen.

Zu diesem Zweck wurden die Daten von 624 Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz Grad 3+/4+ (moderat-schwer und schwer), die im Zeitraum von August 2008 bis September 2015 mittels MitraClip-Implantation am Universitären Herzzentrum Hamburg behandelt wurden, retrospektiv analysiert. Die Lebensqualität wurde mittels des für die Herzinsuffizienz gut etablierten Minnesota Living with Heart Failure Questionnaire (MLHFQ) erfasst, die körperliche Belastbarkeit unter Zuhilfenahme des 6-Minuten-Gehtests (6-MWT). Die Prävalenz von präprozedural bestehendem Vorhofflimmern lag bei 66,7% (416/624) und damit im Bereich der ACCESS-EU-Studie 10. Die Analyse der Baseline-Parameter ergab bei Patienten mit präprozedural bestehendem Vorhofflimmern ein höheres Alter (76,4 vs. 73,9 Jahre; p = 0,006), ein höheres geschätztes Operationsrisiko (LogEuroSCORE 21,8 vs. 18,4; p = 0,0017) sowie vergrößerte Vorhofdiameter (55±9mm vs. 52±11mm). Der Schweregrad der Mitralklappeninsuffizienz (MR grade 3+/4+ 50,3/49,8% vs. 51,3/48,7%; p = 0,63), die linksventrikuläre Funktionseinschränkung (LVEF 44,1 vs. 38,8%; p = 0,054) sowie das NT-proBNP (3525pg/ml vs. 3753pg/ml; p = 0,76) waren nicht signifikant unterschiedlich zwischen beiden Gruppen.

Die Analyse der vor der Prozedur bestehenden NYHA-Klasse zeigte eine schlechtere subjektive Belastbarkeit bei Patienten mit Vorhofflimmern (NYHA II/III/IV in 4,4/67,1/28,5% vs. 0/74,8/25,3%; p = 0,006) verglichen mit solchen im Sinusrhythmus, während die gemessene körperliche Belastbarkeit im 6-MWT (183m vs. 203m; p = 0,17) sowie die Lebensqualität (MLHFQ 41,1 vs. 39,9 Punkte; p = 0,48) keinen signifikanten Unterschied erbrachten.

Die MitraClip-Prozedur konnte sowohl bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern erfolgreich, definiert als eine Reduktion der Mitralklappeninsuffizienz auf einen Schweregrad £2+, durchgeführt werden (90,9 vs. 88,9%; p = 0,48). Im 12-Monats-Follow-Up wurde bei beiden Patientengruppen eine Verbesserung von NYHA-Klasse, Lebensqualität und 6-MWT gesehen. Die NYHA-Klassen zeigten sich im Verlauf weiterhin unterschiedlich (NYHA I/ II/III/IV in 4,8/46,8/44,8/3,6% und 11,8/56,7/29,1/2,4%, p = 0,005), während in beiden Gruppen eine Verlängerung der Gehstrecke (Gehstreckenzunahme 44m vs. 70m; p = 0,33) und eine verbesserte Lebensqualität (Reduktion des MLHFQ-Scores um 6,9, bzw. 9,5 Punkte; p = 0,72) festgestellt werden konnte. Im weiteren Follow-Up zeigte sich lediglich nach 24 Monaten eine signifikant längere Gehstrecke bei Patienten ohne Vorhofflimmern, während nach 36 Monaten kein signifikanter Unterschied mehr bestand (265,4 vs. 323,4m; p = 0,03 und 278,1m vs. 288,1m; p = 0,8). Die Lebensqualität unterschied sich weder nach 24, noch nach 36 Monaten zwischen beiden Gruppen (33,2 vs. 31,3; p = 0,54 und 30,2 vs. 24,7; p = 0,18). Weder die Rehospitalisationsrate infolge Herzinsuffizienz (p log rank = 0,702), noch das Überleben (p log rank = 0,11) unterschieden sich signifikant zwischen beiden Gruppen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass trotz höheren Alters und erhöhtem operativem Risiko eine erfolgreiche und sichere MitraClip-Prozedur auch bei Patienten mit Vorhofflimmern möglich war. Sowohl Lebensqualität als auch 6-Minuten-Gehstrecke konnten durch die MitraClip-Prozedur gesteigert werden, mit vergleichbarer langfristiger Prognose.

Literatur

  1. Iung, B. et al. A prospective survey of patients with valvular heart disease in Europe: The Euro Heart Survey on valvular heart disease. Eur. Heart J. 24, 1231–1243 (2003).
  2. Ponikowski, P. et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur. Heart J. (2016). doi:10.1016/j.ejheart.2008.08.005
  3. Vahanian, A. et al. Guidelines on the management of valvular heart disease (version 2012). Eur. Heart J. 33, 2451–2496 (2012).
  4. Mirabel, M. et al. What are the characteristics of patients with severe, symptomatic, mitral regurgitation who are denied surgery? Eur. Heart J. 28, 1358–1365 (2007).
  5. Munkholm-Larsen, S. et al. A systematic review on the safety and efficacy of percutaneous edge-to-edge mitral valve repair with the MitraClip system for high surgical risk candidates. Heart 100, 473–478 (2014).
  6. Rudolph, V. et al. Echocardiographic and clinical outcomes of MitraClip therapy in patients not amenable to surgery. J. Am. Coll. Cardiol. 58, 2190–2195 (2011).
  7. Puls, M. et al. One-year outcomes and predictors of mortality after MitraClip therapy in contemporary clinical practice: results from the German transcatheter mitral valve interventions registry. Eur. Heart J. ehv627 (2015). doi:10.1093/eurheartj/ehv627
  8. Grigioni, F. et al. Atrial Fibrillation Complicating the Course of Degenerative Mitral Regurgitation Determinants and Long-Term Outcome. 40, (2002).
  9. Herrmann, H. C. et al. Effects of atrial fibrillation on treatment of mitral regurgitation in the EVEREST II (Endovascular valve edge-to-edge repair study) randomized trial. J. Am. Coll. Cardiol. 59, 1312–1319 (2012).
  10. Maisano, F. et al. Percutaneous mitral valve interventions in the real world: early and 1-year results from the ACCESS-EU, a prospective, multicenter, nonrandomized post-approval study of the MitraClip therapy in Europe. J. Am. Coll. Cardiol. 62, 1052–61 (2013).

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