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Auswirkungen von Digitalis auf die Mortalität bei ICD-Patienten – Ergebnisse einer Langzeit-Kohorten Studie mit 1020 Patienten über 10 Jahre

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Julia Erath, Frankfurt am Main

Digitalis zählt zu den ältesten herzspezifischen Glykosiden, welches seit Jahrhunderten zur Therapie der Herzinsuffizienz verwendet wird [1]. Heutzutage sind die zwei Hauptindikationen für den klinischen Einsatz von Digitalis die Therapie der symptomatischen Herzinsuffizienz und die Herzfrequenzkontrolle bei Vorhofflimmern [2–4]. Insgesamt existiert nur eine randomisierte, plazebo-kontrollierte Studie, die 1996 veröffentlichte DIG-Studie, deren Hauptergebnis eine gegenüber Plazebo verminderte Hospitalisierungsrate der mit Digitalis behandelten Patienten war. Die Gesamtmortalität war in dieser Studie in der Digitalis- und in der Vergleichsgruppe nicht unterschiedlich [5]. Hierauf basieren Klasse IIb und IIa Empfehlungen für den klinischen Einsatz von Digitalis für die symptomatische Therapie der Herzinsuffizienz und der Reduktion der Rehospitalisation sowie Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern [2–4, 6].

Digitalis ist günstig, breit verfügbar und wird weltweit täglich angewandt. Allerdings erfordern die enge therapeutische Breite, mögliche Medikamenteninteraktionen sowie organ- und geschlechtsspezifische Risikoprofile ein strenges Therapiemonitoring [7–10]. Seit der Veröffentlichung des DIG-Trial ließen einzelne pro- und retrospektive Studien Zweifel an den Vorzügen von Digitalis in Kombination mit der aktuell angewandten Herzinsuffizienztherapie wachsen [11–14]. Einige Studien wiesen sogar auf eine erhöhte Mortalität unter Digitalistherapie hin [13–17].

Vor dieser unklaren Datenlage haben wir in einer retrospektiven Studie ein großes Kollektiv von konsekutiven Patienten mit struktureller Herzerkrankung, die in unserer Institution mit einem ICD versorgt worden waren, hinsichtlich der Auswirkungen von Digitalis auf die Gesamtmortalität untersucht.

Unsere Analyse umfasst 1020 Patienten, denen im Zeitraum von 1996-2009 ein ICD implantiert wurde und die wir für maximal 10 Jahre (median 38 Monate) nachbeobachteten. Insgesamt nahmen 438 Patienten (43%) Digitalis zum Zeitpunkt der ICD-Implantation ein, wohingegen 582 (57%) dies nicht taten. Mit Digitalis therapierte Patienten waren im Mittel älter (63 Jahre), litten häufiger an Vorhofflimmern (p<0,001) und hatten im Mittel eine schlechtere linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF=26%; p<0,001) sowie einen verlängerten QRS-Komplex>120 ms (p<0,001). Zudem litten sie häufiger an nicht-kardialen Komorbidiäten wie Diabetes mellitus und chronischer Niereninsuffizienz (p<0,001). Die Ereignishäufigkeiten in beiden Patientengruppen wurden mittels Kaplan-Meier-Analyse bestimmt und verglichen. Hier zeigte sich in der nicht-adjustierten Analyse eine signifikant erhöhte Mortalität für diejenigen Patienten, die Digitalis einnahmen verglichen mit den Patienten ohne diese Medikation (HR=2,26; 95% K. I. 1,64-3,12; p=0,001). In einer zweiten, adjustierten Kaplan-Meier-Analyse korrigierten wir die Daten auf das Vorhandensein von klinischen Variablen, die zu einer möglich erhöhten Mortalität beitragen könnten wie Patientenalter, LVEF ≤35%, Vorhofflimmern, QRS-Dauer ≥ 120ms, Diabetes mellitus, sowie ischämische versus nicht ischämische Kardiomyopathie. Auch nach dieser Adjustierung fand  sich eine signifikant erhöhte Mortalität für Patienten mit  Digitalis (HR=1,79; 95% K. I. 1,19-2,68; p=0,005).

Unsere Daten zeigen daher erstmals auch für ein Patientenkollektiv von ICD Trägern Hinweise für einen negativen Effekt von Digitalis auf die Sterblichkeit. Somit stehen sie im Einklang mit anderen jüngst veröffentlichten Befunden, die auf eine ähnlich gesteigerte Mortalität von Digitalis-behandelten Patienten hinweisen [13–17]. Als mögliche Limitation unserer Untersuchung muss natürlich der retrospektive Charakter unserer Analyse genannt werden. Trotz sorgfältiger Adjustierung auf wichtige, klinische Variablen ist ein residuelles Bias nicht gänzlich auszuschließen. Unsere Daten verdeutlichen die Notwendigkeit einer sorgfältig kontrollierten klinischen Studie zum Nutzen von Digitalis bei ansonsten optimal behandelten Patienten mit struktureller Herzkrankheit.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org.

Literatur:
1 Smith TW. Digitalis glycosides. Orlando: Grune & Stratton; ©1986

2 McMurray, John J V, Adamopoulos S, Anker SD et al. ESC guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012: The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure 2012 of the European Society of Cardiology. Developed in collaboration with the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur. J. Heart Fail.; DOI: 10.1093/eurjhf/hfs105

3 Yancy CW, Jessup M, Bozkurt B et al. 2013 ACCF/AHA guideline for the management of heart failure: executive summary: a report of the American College of Cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on practice guidelines. Circulation; DOI: 10.1161/CIR.0b013e31829e8807

4 Camm AJ, Kirchhof P, Lip, Gregory Y. H et al. Guidelines for the management of atrial fibrillation: The task force for the management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur. Heart J.

5 Gheorghiade M, Pitt B. Digitalis Investigation Group (DIG) trial: a stimulus for further research. Am. Heart J. 1997; 134 (1): 3–12

6 Bourge RC, Fleg JL, Fonarow GC et al. Digoxin reduces 30-day all-cause hospital admission in older patients with chronic systolic heart failure. Am. J. Med.; DOI: 10.1016/j.amjmed.2013.02.001

7 Rathore SS, Curtis JP, Wang Y et al. Association of serum digoxin concentration and outcomes in patients with heart failure. JAMA 2003; 289 (7): 871–878

8 Young JB, Weiner DH, Yusuf S et al. Patterns of medication use in patients with heart failure: a report from the Registry of Studies of Left Ventricular Dysfunction (SOLVD). South. Med. J. 1995; 88 (5): 514–523

9 Hohnloser SH, Halperin JL, Camm AJ et al. Interaction between digoxin and dronedarone in the PALLAS trial. Circ Arrhythm Electrophysiol; DOI: 10.1161/CIRCEP.114.002046

10 Rathore SS, Wang Y, Krumholz HM. Sex-based differences in the effect of digoxin for the treatment of heart failure. N. Engl. J. Med.; DOI: 10.1056/NEJMoa021266

11 Hallberg P, Lindbäck J, Lindahl B et al. Digoxin and mortality in atrial fibrillation: a prospective cohort study. Eur. J. Clin. Pharmacol.; DOI: 10.1007/s00228-007-0346-9

12 Friberg L, Hammar N, Rosenqvist M. Digoxin in atrial fibrillation: report from the Stockholm Cohort study of Atrial Fibrillation (SCAF). Heart; DOI: 10.1136/hrt.2009.175786

13 Butler J, Anand IS, Kuskowski MA et al. Digoxin use and heart failure outcomes: results from the Valsartan Heart Failure Trial (Val-HeFT). Congest Heart Fail; DOI: 10.1111/j.1751-7133.2010.00161.x

14 Freeman JV, Yang J, Sung SH et al. Effectiveness and safety of digoxin among contemporary adults with incident systolic heart failure. Circ Cardiovasc Qual Outcomes; DOI: 10.1161/CIRCOUTCOMES.111.000079

15 Whitbeck MG, Charnigo RJ, Khairy P et al. Increased mortality among patients taking digoxin–analysis from the AFFIRM study. Eur. Heart J.; DOI: 10.1093/eurheartj/ehs348

16 Gjesdal K, Feyzi J, Olsson SB. Digitalis: a dangerous drug in atrial fibrillation? An analysis of the SPORTIF III and V data. Heart; DOI: 10.1136/hrt.2006.108399

17 Domanski M, Fleg J, Bristow M et al. The effect of gender on outcome in digitalis-treated heart failure patients. J. Card. Fail. 2005; 11 (2): 83–86