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Periprozedurale und morbiditätsbezogene Letalität nach Herzschrittmacher- und ICD-Implantation. Analyse der Qualitätssicherungsdaten NRW 2006-2012

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Professor Bernd Lemke, Lüdenscheid 

In Nordrhein-Westfalen werden Herzschrittmacher (HSM) und Defibrillatoren (ICD) in großer Anzahl implantiert. Die Eingriffe gelten als sicher, weshalb jeder stationäre Todesfall eine Auffälligkeit darstellt, der nachgegangen werden muss. Ziel dieser „Sentinel-Event“-Analyse ist es, Faktoren zu identifizieren, die zu einer Vermeidung der Ereignisse beitragen. Anhand der Datensätze zur Qualitätssicherung wurde eine Analyse der stationären Todesfälle bei 109.528 HSM- (2006-2012) und bei 18.625 ICD- (2010-2012) Patienten durchgeführt. Zusätzlich wurden Fragebögen entwickelt, die die Kliniken im Rahmen des „Strukturierten Dialogs“ für die Jahrgänge 2010-2011 bei allen Todesfällen beantworten mussten (704 HSM-, 89 ICD-Patienten). Stehen nun die Todesfälle in direktem Zusammenhang mit dem operativen Eingriff, können sie auf eine Komplikation zurückgeführt werden oder sind sie Folge einer bereits bestehenden Grunderkrankung?

Todesfälle nach HSM- und ICD-Implantationen sind seltene Ereignisse. Während des stationären Aufenthalts starben 1.560 HSM- (1,4%) und 118 ICD-Patienten (0,6%). Dass die ICD-Implantation seltener zu Todesfällen führt als eine HSM-Operation ist auffällig und bestätigt Daten aus den USA (Device Implantation 1997-2004). Ein Grund ist das deutlich höhere Alter der HSM-Patienten (76 Jahre) als das der ICD-Patienten (66 Jahre). In beiden Gruppen (HSM und ICD) konnte eine signifikante Altersabhängigkeit der Todesrate nachgewiesen werden: unter 60 Jahre 0,8% und 0,4%, 61 bis 80 Jahre 1,1% und 0,6% und über 80 Jahre 2,0% und 1,9%. Darüber hinaus bestand bei 71% der ICD-Patienten eine primärprophylaktische Indikation, die im Vergleich zur Sekundärprophylaxe mit einer deutlich besseren Prognose einherging (0,4% vs. 1,2%). Bei der ICD-Implantation war die Letalität der Frauen doppelt so hoch wie die der Männer (1,0% vs. 0,5%).

Patienten mit AV-Block III. Grades und mit einer Bradykardie bei permanentem Vorhofflimmern hatten nach HSM-Therapie die schlechteste Prognose (2,5% resp. 1,9%). Bei der Ätiologie führte die infarktbedingte Bradykardie (2,8%) und der Z.n. herzchirurgischem Eingriff (3%) zu einer Prognoseverschlechterung. Bei den ICD-Patienten spielte die Ätiologie nur eine untergeordnete Rolle (ischämische Kardiomyopathie 0,7% vs. Dilatative Kardiomyopathie 0,5%, n.s.).

HSM- und ICD-Patienten zeigten eine auffällige Abhängigkeit der peri- und postoperativen Letalität vom körperlichen Zustand (ASA-Klasse) und vom Ausmaß der Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium). Dabei bezeichnet die ASA-Klasse IV den Patienten mit lebensbedrohlicher Erkrankung und die ASA-Klasse V den moribunden Patienten, dessen Tod mit und ohne Operation innerhalb von 24 Stunden wahrscheinlich ist. Bei der HSM-Operation hatten Patienten in der ASA-Klasse IV (n=3.847) eine Letalität von 11,4% und in der ASA-Klasse V (n=271) eine von 27,7%. Die Todesrate war auch bei der ICD-Implantation in den ASA-Klassen IV (n=1.096) und V (n=15) deutlich erhöht (2,3% resp. 6,7%), allerdings nicht so ausgeprägt wie bei den HSM-Patienten. In beiden Gruppen führte ein NYHA-Stadium III/IV (HSM, n=5.005) oder IV (ICD, n=741) zu einer erhöhten Letalität (5,2% resp. 3,4%). Bei den HSM-Patienten zeigte sich dabei eine signifikante Abhängigkeit von der Auswurfraktion (EF>50%: 0,8%, EF 50-35%: 3,1%, EF≤35%: 8,1%).

Peri- und postoperative Komplikationen erhöhten die Letalitätsrate signifikant: bei der HSM-Operation von 1,3% auf 4,1% und bei der ICD-Implantation von 0,6% auf 3,7%. Die häufigsten Komplikationen waren die Sondendislokation (57,1% resp. 32,6%), der Pneumothorax (12,7% resp. 21,7%) und das Taschenhämatom (10,2% resp. 16,1%), doch konnte für diese Komplikationsarten nur eine geringe Sterblichkeit gezeigt werden (1-3%). Eine deutlich höhere Letalität ereignete sich nach folgenden Komplikationen: bei den ICD-Patienten nach kardiopulmonaler Reanimation (33%), bei HSM-Patienten nach Kammerflimmern (28%) und Asystolie (25%).

Nach Auswertung der Fragebögen trat eine prozedurbezogene Letalität sehr selten auf. Sie konnte bei 0,035% der HSM-Patienten (n=17) und bei 0,033% der ICD-Patienten (n=4) angenommen werden (siehe Tabelle). Damit konnten 57% der Prozedur bezogenen Todesursachen auf eine arterielle Fehlpunktion oder Ventrikelperforation und 14% auf eine ICD-Testung zurückgeführt werden. Durch Vermeiden der Subclavia-Punktion, Röntgenkontrolle des Führungsdrahtes nach Subclavia-Punktion, postoperative Echokardiographie und Vermeiden der ICD-Testung könnte die prozedurbezogene Letalitätsrate weiter gesenkt werden.

Bei der morbiditätsbezogenen Letalität standen die Niereninsuffizienz, die respiratorische Insuffizienz und der Z. n. operativem Eingriff an der Spitze der Begleiterkrankungen (siehe Abbildung). Der allergrößte Teil der Todesfälle (>99%) trat im Rahmen schwerer Grunderkrankungen auf. Hierbei sind ca. 5% der Implantationen aufgrund der limitierten Überlebensprognose der Patienten und ca. 20% wegen der schweren Begleiterkrankungen zu hinterfragen. Bei vorgenannten Fällen sollte eine größere Zurückhaltung bei der permanenten HSM- und ICD-Implantation geübt werden. 

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