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Diagnostisches und prognostisches Biomarkerpotenzial von microRNAs in abdominellen Aortenaneurysmen

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Dr. Suzanne Eken, Dr. Lars Maegdfessel, Stokholm 

Abdominelle Aortenaneurysmen (AAA) werden häufig als tickende Zeitbomben beschrieben, da es momentan weder möglich ist ihre Existenz mit einem Biomarker zu bestimmen, noch ihr Wachstum und zukünftiges Ruptur-Risiko vorauszusagen. Was bisher keinem Proteinbiomarker gelungen ist, versuchen nun Wissenschaftler des Karolinska Instituts in Stockholm und der Stanford University in Palo Alto mittels der Plasmabestimmung von microRNA zu bewerkstelligen.

MicroRNAs wurden zuletzt immer häufiger nicht nur als zentrale Regulatoren von verschiedenen physiologischen und pathologischen Zuständen beschrieben, sondern auch als potenziell verlässliche Biomarker in Akutsituationen wie myorkadialen Infarkten und ischämischen Insulten. Zirkulierende microRNAs haben den Vorteil, dass man sie mit hoher Sensitivität und Spezifizität bestimmen kann. Ihre Expression gilt als relativ stabil und unterliegt nur geringen physiologischen Schwankungen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit alle ca. 1000 microRNAs in einem einzigen Experiment mittels Microarray Technologie zu ermitteln. Dies erscheint besonders sinnvoll, da gezeigt werden konnte, dass mehrere microRNAs sich zu Netzwerken zusammenschließen, um wichtige Gene und deren Signalwege gemeinsam zu kontrollieren und nachhaltig zu beeinflussen. Zu den Nachteilen der microRNA-Bestimmung im Blut gilt ihre relativ niedrige Konzentration und die zeitaufwendige und teure Messung mittels molekularen Methoden, wie PCR oder Microarrays. 

Die Forschergruppe vom Karolinska Institut in Stockholm um Dr. Lars Maegdefessel konnte anhand von humanen und tierexperimentellen Modellen zeigen, dass verschiedene microRNAs sowohl in Patienten wie auch in Mäusen mit bereits existierenden AAA als diagnostischer Biomarker Verwendung finden können. Von entscheidender Bedeutung ist die Detektion von vier microRNAs (miR-24, miR-126, miR-210, und miR-668), die in experimentell induzierten AAAs bei Mäusen eine zukünftige Dissektion und Ruptur im Plasma prognostizieren und vorrausagen konnten. Ein solcher prognostischer Biomarker, der bei Patienten mit bereits existierendem AAA eingesetzt werden könnte, um die schnelle – mit erhöhtem Ruptur-Risiko einhergehende – progressive Aorten-dilatation vorauszusagen, wäre extrem wünschenswert. 

Als besonders interessant stellten sich in diesem Zusammenhang erhöhte Expressionswerte für die miR-126, und eine unterdrückte Expression der miR-24 heraus. Die miR-126 konnte bereits in vorherigen Studien als wichtiger Parameter und Regulator in Patienten mit atherosklerotisch bedingten, wie auch diabetischen Gefäßerkrankungen, ermittelt werden. Ihre direkte Rolle in der Entstehung und Progression von AAA ist aktuell nicht bekannt. Die miR-24 konnte von der Gruppe aus Stockholm und Stanford im Rahmen von AAAs als wichtiger Mediator von entzündlichen Gefäßveränderungen identifiziert werden. In diesem Zusammenhang spielt das neu herausgefundene miR-24 Zielgen Chitinase 3-like-1 (Chi3l1) eine wichtige Rolle. Die Forscher konnten herausfinden, dass Chi3l1 in Makrophagen, welche im Rahmen der Aneurysma-Entstehung in die Aorta einwandern, sowohl deren Apoptose verhindern kann, wie auch die Synthese und Ausschüttung von Zytokinen unterstützt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass miR-24 und Chi3l1 die Zytokin-Produktion in glatten Gefäßmuskelzellen reguliert, und die Aktivierung von proinflammatorischen Adhesionsmolekülen in aortalen Endothelzellen moduliert. Anhand von Tiermodellen konnte die Gruppe zeigen, dass durch lentiviral-unterstützte Überexpression der miR-24, die Expression und Translation von Chi3l1 (YKL-40 ist das humane Homolog) unterdrückt werden kann, und so behandelte Mäuse wesentliche kleinere Aneurysmen entwickeln, als Tiere die mit einer Kontroll-microRNA behandelt wurden.

Der therapeutische Ansatz der miR-24 Induktion wird momentan in Großtiermodellen untersucht, um eine mögliche translationale Applikation im Menschen vorzubereiten. Im Rahmen dieser präklinischen Versuche steht vor allem die lokale Abgabe von microRNA Modulatoren mittels beschichteter Dilatationsballons und Stents im Mittelpunkt. Die Wissenschaftler haben bereits herausgefunden, dass eine solche lokale Applikationsform das Auftreten von sogenannten Off-target Effekten (substanziellen Nebeneffekten) in anderen Organsystemen minimiert, in denen microRNA Modulatoren zu einem wesentlich höheren Anteil assimilieren können (wie z.B. Leber, Herz, Niere und Lunge).

Bezüglich der potentiellen Biomarker-Rolle der miR-24 konnte die Forscher-gruppe zeigen, dass sie die einzige untersuchte microRNA war, die in einer kleinen Patientengruppe mit akuter AAA Ruptur im Vergleich zu Patienten mit bekanntem AAA, die elektiv operativ versorgt wurden, signifikant nach unten reguliert ist. In zukünftigen Biomarker-Studien soll analog zu den oben erwähnten Tiermodellen in verschiedenen AAA-Screening Kohorten in Schweden, den USA und den Niederlanden untersucht werden, ob die miR-24 (oder eine andere microRNA) in Patienten, bei denen im Rahmen der Einschluss-Untersuchung bereits ein Aneurysma mittels Ultraschall diagnostiziert wurde, etwas über das zukünftige Wachstum und das Risiko einer zukünftigen Ruptur ausgesagt werden kann. Ein solcher prognostischer (microRNA) Biomarker wäre von immensem Nutzen, um die tickende Zeitbombe in Aorten von entsprech-enden Patienten zu entschärfen.

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