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Kardiovaskuläres Risiko bei Kindern und Jugendlichen und Prävention: Intervention von Übergewicht und Adipositas. Eignet sich Metformin für fettsüchtige Kinder ohne Typ2-Diabetes?

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 Dr. Richard Eyermann, München 

Hintergrund und Problemstellung: Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind Todesursache Nr. 1 und machen fast die Hälfte aller Todesursachen aus.

Die Herz-Kreislauf-Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist in den vergangenen Jahren deutlich schlechter geworden, im Gegensatz zum weltweiten Trend bei Erwachsenen. Wenn Jugendliche ebenso ungesund leben wie so mancher Erwachsene, leiden sie bereits früh an den gleichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bluthochdruck und andere kardiovaskuläre Risikofaktoren verursachen auch bei Jugendlichen neben Symptomen bereits messbare Schäden am Herz-Kreislauf-System, wie Herzvergrößerung, Verkalkung der Koronargefäße und Verdickung der kleinen Gefäße (Zunahme der Intima-Media-Dicke). Jugendliche profitieren deutlich von Lebenstiländerung (unter anderem Benefit auf BMI, Blutdruck, Glukosetoleranz, Intima-Media-Dicke, Physical Working Capacity, Kardiovas-kuläres Risiko) durch Gewichtsabnahme, Steigerung der körperlichen Aktivität, weniger TV- und PC-Konsum, Rauchen aufgeben, keine Fehlernährung, ausreichend Obst und Gemüse.

Zunehmend pandemisch sind bereits Kinder und Jugendliche übergewichtig oder adipös (BRD: 7,2 bzw. 11,7%, Kompetenznetz Adipositas 2011) mit meist Fortbestehen des gesundheitlichen Risikoverhaltens und erhöhten kardiometabolischen Risikos im Erwachsenenalter (Typ2-Diabetes, arterielle Hypertonie, abnorme Lipide) und frühzeitiger Anhäufung atherosklerotischer Last.

Interventionsprogramme sind präventiv bedeutsam. Vielen Kindern fällt es jedoch schwer mit Diät und Bewegung signifikant BMI zu reduzieren. Orlistat ist von der FDA seit 2003 für übergewichtige Adoleszente zugelassen, bariatrische Chirurgie auf Adulte beschränkt.

Neue Ansätze sind erforderlich: Metformin weckt großes Interesse aufgrund des Körper-gewichtsverlustes bei Adulten und Langzeiterfahrungen bei Kindern über 10 Jahren mit Diabetes.

Methode: Erarbeitung einer evidenzbasierten Übersicht sowie der Ergebnisse der aktuellsten Meta-analyse von 14 klinischen Trials (MEDLINE, Cochrane Library, ClinicalTrials.gov.) von 1996-2012 mit Vergleich von Lifestyleinterventionen – meist nicht sehr intensive Diät und Bewegung – vs. Lifestyleinterventionen + off-label-use Metformin und Diskussion sowie praxisrelevante Schlussfolgerungen.

Die Trials waren klein, eingeschlossen je 24 – 173 Kinder und Adoleszente, total 946 im Alter von 8 – 18 Jahren, mit BMI von 26 – 41, Æ33. 8 Studien liefen über 5 – 12 Monate, 4 über < 6 Monate, nur 2 über zumindest 1 Jahr. Die Metformindosis betrug 1 – 2g/Tag.

Zusammengefasste Ergebnisse: Der größte Benefit von Metformin lag in der gepoolten Schätzung von 7 der 6-Monats-Trials. Die Patienten unter Metformin verloren 3,77 kg mehr und hatten einen 1.4 größeren Abfall des BMI vs. Lifestyleintervention allein (Abb. 1).

In den 2 Studien mit 1-Jahres-Daten (250 Patienten) differierten die BMI-Änderungen nicht signifikant. In der Metformingruppe klagten mehr Patienten über gastrointestinale Nebenwirkungen vs. Kontrollgruppe (26% vs. 13%). Schwere Nebenwirkungen und Therapieabbrüche traten jedoch nicht auf (siehe auch RCT von Yanovski et al., 2011).

Subgruppenanalysen ergaben, dass manche Kinder von Metformin mehr profitieren, solche mit BMI <35, solche <12 Jahre und solche ohne frühere Lifestyleinterventionen.

Auch waren die Metformineffekte kleiner in Studien mit mehr Mädchen oder Adoleszenten und in Hispanic-Patienten oder solchen mit Acanthosis nigricans.

Konklusion und Relevanz: Metformin führt zu einer statistisch signifikanten, aber sehr moderaten BMI-Reduktion in Kombination mit Lifestyle-Interventionen über die kurze Untersuchungszeit. Ein größerer Trail ist erforderlich, um noch genauer potenzielle Subgruppen zu identifizieren, die von Metformin profitieren und große potenzielle Confounding-Faktoren, wie i.e. Pubertät, diskriminieren. Im Kontext von anderen Therapieoptionen kindlicher Fettsucht hat sich Metformin als klinisch nicht sehr bedeutsam erwiesen. Der Effekt ist bescheidend.

Die hohe Frequenz von gastrointestinalen Nebenwirkungen (26% in der Verumgruppe vs. 13% in der Kontrollgruppe, relatives Risiko 2,05; CI 1,19-3,54) ist ein Warnsignal und legt nahe, den Off-Label-Use  von Metformin im Kindesalter weiterhin eher problematisch zu sehen.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8800 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org