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Familie und Beruf sind für Kardiologinnen und Kardiologen schwer vereinbar – Ohne entsprechende Ressourcen droht Versorgungs-Engpass

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Dr. Maike Bestehorn, Coautorin der Studie „Familie und Kardiologie“

Ein Mangel an Kinderbetreuung, die an ärztliche Dienstzeiten angepasst ist, und unregelmäßige Arbeitszeiten (insbesondere Nacht-und Wochenenddienste) führen dazu, dass sich vor allem Kardiologinnen für Teilzeitarbeit entscheiden müssen, sobald sie Kinder haben. Mittelfristig gefährdet diese Situation nicht nur die Weiterbildungs- und Karriereperspektiven der Betroffenen, sondern auch die medizinische Versorgung in Deutschland.

Im Rahmen der Statuserhebung „Familie und Kardiologie“ im Auftrag der DGK wurden Ärztinnen und Ärzte mit Kindern, Ärztinnen und Ärzte ohne Kinder sowie Chefärzte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie befragt. Die Untersuchung zeigt, dass die Rahmenbedingungen denkbar schlecht sind, um Kinderbetreuung und Beruf zu vereinbaren. Typisch für die heute verfügbare Kinderbetreuung sind unflexible, nicht an den Klinikbetrieb angepasste Öffnungszeiten und nur sehr selten Lösungen für Nacht- und Wochenenddienste. Dazu kommt ein Mangel an Angeboten durch die Arbeitgeber. Selbst wenn das Krankenhaus eine Kindertagesstätte betreibt, gibt es häufig nicht genügend Plätze für die Mitarbeiter mit Kindern und/oder das Pflegepersonal hat Vorrang. Diese Probleme wurden in unserer Befragung auch von den Chefärzten bestätigt.

Dementsprechend schwierig ist es für Kardiologinnen und Kardiologen, Familie und Karriere zu vereinbaren. Und das gilt vor allem für die Kardiologinnen, da sowohl die männlichen als auch die weiblichen Befragten Frauen als Hauptverantwortliche für die Organisation der Kinderbetreuung ansehen. Unsere Umfrage zeigt, dass 59 Prozent der Frauen mit Kindern Teilzeit arbeiten – bei den Männern sind es nur 8 Prozent. Frauen mit Kindern stecken sich beruflich und akademisch niedrigere Ziele als Männer und ihre Einschätzung, diese Ziele ohne erhebliche zeitliche Verzögerung zu erreichen, liegt mit 28 Prozent deutlich unter jener von Männern mit 62 Prozent.

Nur etwa ein Drittel der Ärzte und Ärztinnen mit Kindern sind mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zufrieden, rund 40 Prozent sind deutlich unzufrieden, der Rest ist weder zufrieden noch unzufrieden. Interessant ist hier, dass auch die männlichen Befragten mit Kindern deutliche Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erkennen.

Im Gegensatz dazu finden sich bei den befragten Ärzten ohne Kinder geschlechtsunabhängig Vollzeittätigkeit, ähnliche berufliche und akademische Ziele sowie ähnliche Einschätzungen bezüglich des Erreichens dieser Ziele. Bedingt durch das Befragungsthema sind in der Gruppe der Ärzte ohne Kinder jüngere Befragte und Frauen überrepräsentiert, d. h. mit ca. zwei Dritteln Assistenten und Assistentinnen in der Weiterbildung spiegeln sie das Meinungsbild der zukünftigen Kardiologen wider.

Es zeigt sich, dass drei Viertel der Ärzte ohne Kinder für die Zukunft Kinder planen und ein Blick auf die Ärztinnen mit Kindern zeigt, dass erst nach 2 Kindern der Anteil derjenigen deutlich sinkt, die weitere Kinder planen. Die Berufsgruppe ist also durchaus kinderfreundlich. Ohne Änderung der Rahmenbedingungen bei der Kinderbetreuung wird daher auch in Zukunft regelmäßig ein Elternteil nur Teilzeit oder gar nicht arbeiten. Das bedeutet entsprechend verzögerte Qualifizierung des kardiologischen Nachwuchses und brachliegende fachärztliche Ressourcen. Gefragt sind innovative Lösungen für eine Kinderbetreuung, die einerseits das Kindeswohl berücksichtigen, andererseits besser an den 24h/7 Tage-Betrieb der Kardiologie angepasst sind.

Werden die entsprechenden Ressourcen nicht geschaffen, könne das langfristig die medizinische Versorgung in Deutschland beeinträchtigen. Hier ist auf die Gefahr eines zunehmenden Ärztemangels hinzuweisen. Der Frauenanteil der Absolventen des Studienfaches Medizin stieg seit 2000 von 46 Prozent auf 62 Prozent im Jahr 2012. Das bedeutet: Wenn die Mehrzahl von ihnen Kinder haben will, wird die Mehrzahl von ihnen auch über etliche Jahre in Teilzeit arbeiten und damit – wenn überhaupt – nur verzögert als Fachärztinnen in der Kardiologie einsatzfähig sein. Für den Staat und die Gesellschaft ergibt sich daraus, dass für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung entweder entsprechend mehr Studien- und Weiterbildungsstellen bereitgestellt werden müssen, oder mehr in die Vereinbarkeit von Familie und ärztlichem Beruf investiert werden muss.